Welche Kriterien sprechen für die Einstufung als als abhängigen Arbeitnehmer, obwohl ein Dienstleistungsvertrag als selbstständiger Unternehmer vorliegt?
Kann der Arbeitgeber seinen scheinselbstständigen Arbeitnehmer in Regress nehmen und von ihm die Sozialversicherungsbeiträge zurückfordern?
Hallo Siggi,
die Merkmale richten sich nach § 7 SGB IV.
Hierzu ein paar Ausführungen:
Beschäftigung und Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit (Abs. 1)
§ 7 Abs. 1 SGB IV enthält Begriffsbestimmungen, die eine Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit zur abhängigen Beschäftigung ermöglichen. Eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist gem. § 7 Abs. 1 SGB IV definiert als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Aus dem Hinweis "insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" kann geschlossen werden, dass es sich immer dann um ein Beschäftigungsverhältnis handelt, wenn ein wirksames Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Entscheidendes Tatbestandsmerkmal, das die Arbeit zur Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung macht, ist die Nichtselbständigkeit. Dieses Merkmal ist allerdings nicht näher definiert, sondern durch die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur Frage des Vorliegens einer Beschäftigung durch andere Merkmale konkretisiert. Das charakteristische Hauptmerkmal der Nichtselbständigkeit ist die persönliche Abhängigkeit. Das BSG geht bei der Begründung des Status eines Beschäftigten vom Hauptmerkmal der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus, wobei praktisch die persönliche Abhängigkeit synonym mit der Nichtselbständigkeit verwendet wird.
Nach Auffassung der höchstinstanzlichen Gerichte, sowohl der Arbeitsgerichtsbarkeit als auch der Sozialgerichtsbarkeit, enthält darüber hinaus § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die für die Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu beachten ist. Ausgehend davon haben das BAG wie auch das BSG in ständiger Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die eine Abgrenzung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen ermöglichen.
Dabei sind nach Auffassung des BSG alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BSG-Urteil vom 01.12.1977, AZ: 12/3/12 RK 39/74).
Zu den Grundregeln der Rechtsprechung gehört, dass die tatsächlichen Verhältnisse die Grundlage der Beurteilung bilden, nicht in erster Linie die vertraglichen Vereinbarungen. Sie sind jedoch - wie andere Merkmale auch - bei der Beurteilung des Gesamtbildes heranzuziehen. Dabei kommt der Bezeichnung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag allerdings nur untergeordnete Bedeutung zu, zumal sehr oft falsche oder ungenaue Bezeichnungen gewählt werden (BSG-Urteile vom 28.10.1960, AZ: 3 RK 13/56; und vom 17.05.1973, AZ: 12 RK 23/72).
Es ist im Bereich der öffentlich-rechtlichen Sozialversicherung unzulässig, den Versicherungsschutz und die damit verbundene Beitragspflicht zur vertraglichen Disposition der Beteiligten zu stellen (Rechtsformzwang - § 32 SGB I).
Typisches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, d.h., dem Arbeitgeber obliegt ein Direktionsrecht, aufgrund dessen der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen selbst bestimmen kann, sondern hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt (BSG-Urteile vom 20.12.1961, AZ: 3 RK 65/57, vom 01.12.1977, AZ: 12/3/12 RK 39/74, und vom 09.12.1981, AZ: 12 RK 4/81). Bei Diensten höherer Art verfeinert sich die Weisungsgebundenheit zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (BSG-Urteile vom 29.03.1962, AZ: 3 RK 74/57, und vom 29.08.1963, AZ: 3 RK 86/59).
Gleichwohl liegt dann eine fremdbestimmte Dienstleistung vor, wenn die zu erfüllende Aufgabe von der Ordnung des Betriebes geprägt wird, sich aus Übung oder Herkommen ergibt und die Arbeitskraft im Dienste des Unternehmens eingesetzt wird.
Die selbständige Tätigkeit kennzeichnet demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit.
Schwierigkeiten bereitet in der Praxis immer wieder die Frage, wann ein Unternehmerrisiko als Indiz für die Selbständigkeit vorliegt und welche Bedeutung diesem Kriterium bei der Würdigung des Gesamtbildes zukommt. Nach der Rechtsprechung des BSG besteht ein Unternehmerrisiko, wenn der Erfolg eines eigenen wirtschaftlichen Einsatzes ungewiss ist. Es bedeutet regelmäßig den Einsatz eigenen Kapitals, der auch mit der Gefahr eines Verlustes verbunden sein kann.
Das Bestehen eines Unternehmerrisikos ist jedoch nicht schlechthin entscheidend. Die Belastung mit Risiken kann vielmehr nur dann für Selbständigkeit sprechen, wenn dem Unternehmerrisiko eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht. Die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer einzustufen wäre, mit zusätzlichen Risiken, vermag keine Selbständigkeit zu begründen. Die Aufbürdung weiterer Risiken kann also nur dann an Bedeutung gewinnen, wenn sie mit einem deutlichen Zuwachs an Dispositionsfreiheit und Gewinnchancen einhergehen.
Das BSG hat darüber hinaus weitere Kriterien festgestellt, die bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit behilflich sein können.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Alle Umstände des Einzelfalles sind entsprechend zu berücksichtigen. Hierbei ist auch die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten zu beachten. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse jedoch von den vertraglichen Vereinbarungen ab, so haben die tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebende Bedeutung.
Dem in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden ist allerdings dann entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit in etwa gleichermaßen für eine Selbständigkeit als auch für eine abhängige Beschäftigung spricht und zwingende Vorschriften des Sozialversicherungsrechts nicht verletzt werden. In diesen Fällen kann nicht etwa "im Zweifel" ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen werden.
Erlauben weder die tatsächlichen Umstände noch die vertraglichen Vereinbarungen eine Entscheidung darüber, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist letztlich darauf abzustellen, von welcher der beiden Arten von Erwerbstätigkeiten das Berufsleben des Versicherten überhaupt geprägt ist. Dies rechtfertigt sich daraus, dass aus dem bisherigen Status im Erwerbsleben auf den Willen des Versicherten geschlossen werden kann, diesen Status nicht zu verändern.
Des weiteren bietet sich die Möglichkeit einer sogenannten "Statusfeststellung".
Hierbei prüft die Rentenversicherung anhand der tatsächlichen Umstände, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder um ein abhängiges Versicherungsverhältnis handelt.
Es wäre ratsam sich diesbezüglich mit der nächstgelegenen Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung in Verbindung zu setzen.
Hallo Siggi,
für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, sind die tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhaltes zu betrachten. Dabei spielt die vertragliche Gestaltung kein Rolle.
Das Bundessozialgericht hat in seiner Rechtsprechung verschiedene Abgrenzungsmerkmale definiert. Entscheidend ist dabei die Frage der persönlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber/Auftraggeber. Weitere zu beurteilende Kriterien können das Unternehmerrisiko sein, die Möglichkeiten der freien Gestaltung der Arbeitstätigkeit, der Einsatz von eigenem Kapital und die wirtschaftliche Abhängigkeit. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Teilaspekte, die für oder gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen können. Diese hier darzustellen, übersteigt jedoch den Rahmen des Forums.
Wir empfehlen Ihnen, einen Antrag auf Statusfeststellung bei der Clearingstelle der DRV Bund zu stellen. Dort wird abschließend geprüft und entschieden, ob Sie eine abhängige Beschäftigung ausüben und Ihr Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge für Sie zu zahlen hat.
Sollte Ihr Arbeitgeber/Auftraggeber Sie zunächst als Arbeitnehmer eingestuft haben und für Sie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben, so kann er diese Beiträge grundsätzlich nicht von Ihnen zurückfordern, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass Sie eine selbständige Tätigkeit ausüben.