Zitiert von: W*lfgang
... eine andere bewusste Teilrentenwahl fällt mir spontan gar nicht ein.
Hallo W*lfgang,
wie wär’s damit:
Ein Versicherter möchte neben einer vorgezogenen Altersrente weiter arbeiten. Kurz vor Rentenbeginn wird er arbeitsunfähig. Die AU wird voraussichtlich länger andauern (schwerer Autounfall).
Im ersten Monat wird er neben der Altersrente also noch Arbeitsentgelt erzielen (Lohnfortzahlung), im zweiten Monat wird er Krankengeld erhalten (nach Ende der 6-wöchigen Lohnfortzahlung). Das Krankengeld ist höher als die Vollrente wegen Alters (siehe Rentenauskunft).
Da das Krankengeld nicht als Hinzuverdienst angerechnet wird und das kalenderjährliche Arbeitsentgelt unter 6.300 Euro liegt (zählt ja nur ab Rentenbeginn!), könnte er eine Vollrente wegen Alters erhalten.
Nach Beginn einer Vollrente wegen Alters hat er allerdings seinen Anspruch auf Krankengeld verwirkt (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V).
Beantragt er aber statt einer Vollrente wegen Alters nur eine Teilrente (das ist ja ggf. auch noch im Widerspruchsverfahren nachträglich möglich), behält er seinen Anspruch auf Krankengeld. Zwar wird die Altersrente auf das Krankengeld angerechnet, da das Krankengeld aber höher ist, macht er unterm Strich einen finanziellen Gewinn, wenn er nur eine Altersteilrente bezieht. Nebenbei kann er für den Teilrentenanteil, den er nicht in Anspruch nimmt, auch noch einen höheren Zugangsfaktor einstreichen.
Zugegeben: die Fallkonstellation ist sicherlich selten. Aber wie man sieht, gibt es auch neben den Pflegepersonen Fälle, in denen sich eine Wahlteilrente lohnt.
Und weil’s so schön ist, nun ein ganz perverser Fall:
Ein Versicherter möchte neben einer vorgezogenen Altersrente weiter arbeiten. Da er in der Vergangenheit öfters mal länger im Krankengeldbezug stand, beantragt er „vorsichtshalber“ von vorneherein eine 99 % Teilrente, obwohl er bei Rentenbeginn im November bei einem Monatsgehalt von 3000,- € Anspruch auf die volle Rente hätte.
Anfang Januar des Folgejahres wird er dann – ganz überraschend – von seinem Freund und Hausarzt krank geschrieben. Die Krankheit dauert leider das ganze Jahr an.
Ergebnis: Er erhält auch in diesem Jahr die 99 % Teilrente, da sein kalenderjährlicher Hinzuverdienst unter 6300 € liegt und daher nicht zu einer niedrigeren Teilrente führt. Neben der Teilrente erhält er aber zusätzlich ab Ende Februar das volle Krankengeld ausgezahlt. Denn Krankengeld ist ja kein anrechenbarer Hinzuverdienst. Andererseits wird die Rente in diesem Fall auch nicht auf das Krankengeld angerechnet, weil der Rentenbeginn vor der Arbeitsunfähigkeit liegt (§ 50 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB V).
Da soll also noch mal einer sagen, die frei gewählte Teilrente sei eine Regelung, die niemand braucht. Das stimmt nicht: Sie ist eine der ganz wenigen Regelungen im SGB, die einen doppelten Bezug von (nahezu vollen) Sozialleistungen ermöglicht...
So, lieber W*lfgang, jetzt müssen Sie sich gut überlegen, wie Sie Ihre Versicherten zukünftig beraten wollen und welche Beratung Sie noch mit Ihrem Berufsethos vereinbaren können ... ;-)
In diesem Sinne - eine geruhsame Nacht
Unwissende