Widerspruchsfrist bei langem Postweg von Rentenbescheid

von
Stroha70

Hallo zusammen,

ich habe gestern am 19.07. einen Rentenbescheid für eine teilweise Erwerbsminderungsrente erhalten.

Ich überlege aus unterschiedlichen Gründen, diesem Rentenbescheid zu widersprechen. Laut Antrag habe ich dazu 1 Monat Zeit nach Bekanntmachung.

Der Bescheid ist vom 03.07., der Umschlag hat einen Aufdruck vom 08.07. Ich habe zu einem früheren Anlass schon mal nach dem Verbleib eines Schreibens beim Servicetelefon der DRV nachgefragt. Dort wurde mir - vielleicht etwas lapidar - mitgeteilt, dass dieser Umstand bekannt sein und der Empfang eines Schreibens bis zu 14 Tage dauern kann. Ich solle mich einfach etwas gedulden.

Die Frage, die sich mir jetzt bei meinem Rentenbescheid stellt: von welchem Datum startet denn jetzt meine Widerspruchsfrist?

Vielen Dank schon mal im Voraus für jede Hilfestellung hier im Forum.

von
Schade

pragmatischer Vorschlag:

Wenn Sie sich einen Widerspruch überlegen, senden Sie im Laufe dieser Woche einen entsprechenden Brief an die DRV ("gegen den Bescheid vom 03.07.22 lege ich Widerspruch ein, eine Begründung werden ich zeitnah einreichen").

Und schon sind Sie fristtechnisch zu 100% auf der sicheren Seite, weil dieses Schreiben noch im Juli eingeht.

Oder brauchen Sie das für eine Klausuraufgabe? Allerdings wäre da das Bescheidsdatum 03.07. (=Sonntag) nicht all zu clever gewählt - welcher DRVler gibt schon sonntags Renten frei?

Aber egal - irgendjemand schreibt Ihnen sicher noch ne perfekte Fristberechnung. LG

von
Berater

ich kann @Schade als Praktiker nur zustimmen. Wenn Sie Widerspruch einlegen wollen, brauchen Sie doch nicht mehr warten und er ist auf jedenfall fristgerecht eingelegt. Man muss auch nicht alles komplizierter machen als nötig.

von
prakmatisch ist gut!

prakmatisch ist gut!
Wie sieht es aber rechtlich aus?

Beispiel: ich fahre vom 29.7. bis 22.8. in Urlaub. Am 30.8. kommt der Bescheid an in meinem Briefkasten. Abgeschickt wurde er am 21.7. lt. Poststempel.

Leider sind dann die 4 Wochen rum für die pragmatische Lösung.

Experten-Antwort

Hallo Stroha 70

Im §37 Abs.2 SGB X wird geregelt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt bei postalischer Übermittlung im Inland sowie ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post beziehungsweise nach Absendung als bekanntgegeben gilt, es sei denn, er ist nicht oder später zugegangen.
Bei Zweifeln obliegt die Beweisführung für den Zugang oder den Zeitpunkt des Zugangs der Behörde.

Für den postalischen Zugang im Inland gilt zugunsten des Empfängers die unwiderlegbare Vermutung, dass ein zur Post gegebener schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post dem Empfänger zugegangen ist.

Die Zugangsvermutung ist ausgeschlossen, wenn der Verwaltungsakt überhaupt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt (nicht innerhalb der drei Tage) zugegangen ist.

Wenn man davon ausgeht, dass der Bescheid am 08.07.22 bei der Post aufgegeben wurde, gilt der Bescheid somit am dritten Tag danach als bekannt gegeben und der Widerspruch müsste somit binnen eines Monats nachdem der Verwaltungsakt bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift bei der Stelle eingereicht werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat. (siehe Rechtsbehelfsbelehrung).

Wenn Sie den Bescheid tatsächlich erst am 19.07.22 erhalten haben, würde die Frist ab 19.07.22 beginnen, wenn Sie die sog. Zugangsvermutung „erschüttern“ könnten.

Um es nicht „darauf ankommen zu lassen“ bzw. die Frist nicht zu versäumen kann man, wenn man mit der Begründung des Widerspruchs noch ein wenig Zeit benötigt, zunächst fristgerecht Widerspruch einlegen und die Begründung später nachreichen oder den eingelegten Widerspruch ggfs. zurücknehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Expertenteam der Deutschen Rentenversicherung

von
Stroha70

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Antworten!

@Schade: Ich finde persönlich leider Ihren Sarkasmus und die Vermutung, ich würde mir den Fall ausdenken, völlig unangebracht. Ich suche hier Hilfe und keine Häme.

@Berater: die Situation ist für mich neu, und ich möchte auch zunächst erst mal feststellen, ob ein Widerspruch auch Nachteile für mich hat. Für Sie mag das nicht kompliziert sein, für mich erst mal schon.

@Expertenantwort: Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die mir sehr weiterhilft. Jetzt weiß ich, dass ich zunächst formlos einen Widerspruch einreichen kann, diesen aber ggf. auch wieder zurückziehen kann.

von
Abschläge

Zitiert von: Schade
...

Oder brauchen Sie das für eine Klausuraufgabe? Allerdings wäre da das Bescheidsdatum 03.07. (=Sonntag) nicht all zu clever gewählt - welcher DRVler gibt schon sonntags Renten frei?

...

Seit die Mitarbeiter auch zum großen Teil im Homeoffice arbeiten, dürfte auch eine Freigabe an einem Sonntag nicht 'unmöglich' sein.

Aber welcher DRV-Mitarbeiter arbeitet schon freiwillig an einem Sonntag, selbst wenn das von zu hause aus möglich ist? :-))

Es gibt aber mindestens 'eine' Ausnahme, da neulich ein 'DRV-Experte' hier auch am Wochenende geantwortet hat, während er auf Updates auf dem Homeoffice-PC wartete.

Also nichts ist unmöglich ;-)

Experten-Antwort

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