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Von Sabine Meuter, dpa
Eine kleine Zahl sorgt für eine große Welle. Es geht um den Garantiezins bei Lebens- und Rentenversicherungen. Ab dem 1. Januar 2022 dürfen die Versicherer bei Neuverträgen maximal noch eine jährliche Verzinsung von 0,25 Prozent versprechen. Betroffen sind Neuverträge bei Lebensversicherung, Riester- und Rürup-Rente sowie betrieblicher Altersvorsorge.
Aber es trifft nicht nur neue Verträge. Die geplante Zinssenkung wirkt sich auch auf bestehende Versicherungsverträge aus. Das stößt bei Verbraucherschützern auf Kritik.
Eigentlich heißt der Garantiezins Höchstrechnungszins, das bedeutet: der Zins ist gedeckelt. Seit Jahren sinkt dieser. „Damit werden Lebens- und Rentenversicherungen immer unrentabler“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Nur Sparanteil wird verzinst
Schon zu Zeiten mit einem vergleichsweise hohen Zins waren aus ihrer Sicht „Lebens- und Rentenversicherungen für Verbraucher ein schlechtes Geschäft“. Der Grund: Damals wie heute bezieht sich die Garantieverzinsung nicht auf den eingezahlten Beitrag. Von dieser Summe gehen die Provision, die Verwaltungskosten und die Kosten für die enthaltene Todesfallabsicherung ab. Nur der Anteil, der gespart wird, wird verzinst.
„Garantiert ist auch nur die vereinbarte Versicherungssumme“, erklärt Becker-Eiselen. Die bei Vertragsabschluss prognostizierten Überschüsse kommen „Kaffeesatzlesen“ gleich. Seit Jahren sinken die Überschüsse kontinuierlich, ebenso die Rentenfaktoren. Und jetzt soll ab 2022 eine weitere Senkung des Höchstrechnungszinses kommen.

„Lebens- und Rentenversicherungsverträge lohnen sich unter dem Strich überhaupt nicht mehr“, sagt auch Axel Kleinlein. Er ist Vorstandssprecher der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten (BdV) mit Sitz in Hamburg. Vor allem jene mit Riester- und Rürup-Renten seien mit der Zinssenkung im Nachteil. Wer einen solchen Vertrag – egal, ob Renten- oder Lebensversicherung – abschließen möchte, müsse deutliche Rentenkürzungen einkalkulieren, so Kleinlein.
Jüngere müssen mehr zahlen
Um solche Kürzungen abzuwenden, müssten Versicherer die Verträge in vielen Fällen verteuern. „Jüngeren Menschen bleibt künftig nichts anderes übrig, als etwa 30 Prozent mehr zu zahlen, wenn sie die gleiche garantierte Rente bekommen wollen“, so Kleinlein. Damit schnellten aber auch die Provisionen für einen Vertrag um 30 Prozent in die Höhe. Um das zu verhindern, muss aus Sicht des Bunds der Versicherten „endlich ein Provisionsdeckel für alle Verträge der Lebensversicherer her“.
Kleinlein kritisiert auch, bei vielen Versicherungsverträgen, die noch in der Ansparphase sind, stehe im Kleingedruckten, dass künftige Rentenzahlungen geringer als ursprünglich kalkuliert ausfallen könnten. Dagegen vorgehen könnten Riester- und Rürup-Sparer nicht – sie sind per Gesetz verpflichtet, am Ende eine Rente bei dem jeweiligen Versicherer zu beziehen.
Wettbewerb würde helfen
„Würde der Gesetzgeber diesen Verrentungszwang kippen, dann wäre einiges gewonnen“, sagt Kleinlein. Denn dann stünden die Versicherer im Wettbewerb untereinander, im Ergebnis wären bessere Renten zu erwarten. Zudem sollte aus BdV-Sicht jeder Sparer selbst entscheiden dürfen, ob er lieber eine Rente oder eine Einmalzahlung haben möchte.
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat Wünsche an den Gesetzgeber. „Kurzfristig notwendig ist jetzt eine Flexibilisierung der bislang gesetzlich geforderten vollständigen Beitragsgarantie“, erklärt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Andernfalls könnten Versicherer in der Breite ab 2022 keine Riester-Rente mehr anbieten.
Auch bei der betrieblichen Altersversorgung drohten dann Angebotslücken, da Arbeitgeber kaum noch Beitragszusagen mit Mindestleistung gewähren könnten. Diese würden vor allem von mittelständischen und kleinen Unternehmen genutzt, so Asmussen.
Ausstieg bedeutet meist Verlust
Für Produkte ohne starre Beitragsgarantie ist aus GDV-Sicht die Senkung des Höchstrechnungszinses weniger relevant. „Denn die meisten Kunden entscheiden sich schon heute für moderne Lebensversicherungen, die eine flexible und dadurch höhere Renditechancen bieten“, erklärt Asmussen.
Eine solche Police haben indes viele nicht. Üblicherweise sind Lebens- und Rentenversicherung langlaufende Verträge, manch einer hat sie schon seit Jahrzehnten. Betroffene müssen die geplante Zinssenkung hinnehmen. Zwar ist ein Ausstieg aus dem Vertrag möglich, aber nur unter großen Verlusten.
ETFs können Alternative sein
Wer im Alter seinen gewohnten Lebensstandard halten will, sollte handeln – und zusätzlich vorsorgen. „Ein Standard-Finanzprodukt, das für alle passt, gibt es nicht“, erklärt Kleinlein. Sparer sollten sich von unabhängiger Seite beraten lassen.
Eine Option kann sein, Geld in unterschiedliche Produkte anzulegen. „Dabei werden auch zunehmend risikoreichere Varianten eine Rolle spielen müssen“, sagt Becker-Eiselen. Je mehr der Verbraucher sein Erspartes und zu sparendes Geld verteilt, umso eher könne er am Ende auf ein Plus hoffen. Eine dieser Varianten der Geldanlage kann die Investition in breitgestreute ETFs sein.