Altersvorsorge / 30.09.2019

Altersvorsorge: Was passiert bei Pfändung oder Hartz-4-Bezug? – Teil 1: Gesetzliche Rente

Arbeitnehmer und die meisten Selbstständigen bauen ab Beginn ihres Arbeitslebens Rentenansprüche auf. Doch was passiert in Krisensituationen – etwa, wenn man auf Hartz 4 angewiesen ist oder eine Pfändung droht? Ist dann die ganze Vorsorge „für die Katz“? Und: Können dann überhaupt weiter Beiträge gezahlt und damit neue Rentensprüche aufgebaut werden? In Teil eins unserer Serie geht es um die gesetzliche Rente.

Bild zum Thema Altersvorsorge: Was passiert bei Pfändung oder Hartz-4-Bezug? Teil 1: GEsetzliche Rente. – Mann sichtet Unterlagen.

Inhalt

Wann sind Rentenbeiträge pfändbar?

In der Auszahlungsphase sind Renten – egal ob es sich um die gesetzliche, eine betriebliche oder eine private Rente handelt – pfändbar. Vor einer so genannten Kahlpfändung (Pfändung aller erreichbaren Habe, so dass dem Schuldner nicht mal mehr das Lebensnotwendige bleibt) sind die Betroffenen allerdings geschützt. Dafür sorgen die regelmäßig angepassten Pfändungsfreigrenzen. Hier besteht also kein Unterschied zwischen den verschiedenen Vorsorgeformen.

Einen Überblick über die gesetzlichen Regeln finden Sie in unserem Beitrag: „Schulden im Alter: Wenn der Rente Pfändung droht“.

Anwartschaften sind vor Pfändung gesichert

In puncto Anwartschaftsschutz ist die gesetzliche Rente anderen Vorsorgeformen überlegen. Denn die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlageprinzip. Hier finanzieren die Jüngeren jeweils die Renten der Älteren. Damit scheidet eine Pfändung der Anwartschaft von vornherein aus. Auch ein Rentenkonto, das später – beispielsweise – eine Monatsrente von 2.000 Euro ermöglicht, ist vor einer Pfändung geschützt.

Vorsorgliche Pfändung möglich

Bereits der Anspruch auf eine spätere Auszahlung der Rente ist pfändbar. Geschützt sind lediglich die Rentenanwartschaften. Künftige Forderungen könnten dagegen gepfändet werden. Durch eine frühzeitige vorsorgliche Pfändung der Rente bekommen die Gläubiger zwar zunächst kein Geld, sie üben jedoch Druck auf Schuldner aus, ihre Zahlungsrückstände zu begleichen.

Arbeitnehmer sind in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) pflichtversichert. Selbstständigen dagegen steht es vielfach noch immer frei, ob und wie sie Vorsorge fürs Alter treffen. Einige von ihnen sind allerdings versicherungspflichtig in der GRV. Und andere können sich für die Versicherungspflicht in der GRV entscheiden. Die Rendite sieht dabei nicht schlecht aus. Vor allem aber: Bei Pfändungen und Hartz-4-Bezug sind die Betroffenen im Hinblick auf die Alterssicherung immer auf der sicheren Seite – anders als bei anderen Vorsorgeformen. Das gilt für Arbeitnehmer und Selbstständige gleichermaßen.

Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung vor Pfändung geschützt

Die Pflichtbeiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen sind bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens nicht „mitzurechnen“. Das bestimmt § 850e der Zivilprozessordnung. Anders als vor allem bei der „Rürup-Rente“, dem privaten Gegenstück zur gesetzlichen Rente, ist damit die laufende Beitragszahlung von Pflichtversicherten nicht gefährdet – solange ein Beschäftigungsverhältnis bzw. eine Pflichtversicherung besteht.

Beitragszahlung zur Freiwilligen Rentenversicherung nicht geschützt

Anders sieht es bei denjenigen aus, die sich für eine freiwillige gesetzliche Rentenversicherung entschieden haben. Wird das Einkommen der Betroffenen gepfändet, so müssen diese freiwilligen oder privaten Beiträge von dem (geringen) Teil ihres Einkommens beglichen werden, das ihnen nach einer Pfändung bleibt. Das sind bei einem Alleinstehenden unter Umständen nur netto 1.180 Euro im Monat. Eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrags, um die laufende Beitragszahlung abzusichern, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Der Pfändungsschutz erstreckt sich also nur auf das Deckungskapital, nicht auf das Einkommen des Schuldners, das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird. Dies gilt auch für freiwillige Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung.

Freiwillige Beiträge vor Pfändung noch zahlbar

Wer eine Pfändung befürchtet, kann – solange diese noch nicht vorliegt – noch höhere freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Gläubiger hätten „keine Möglichkeit des Zugriffs auf Beiträge, die durch den Schuldner in die Rentenversicherung eingezahlt wurden“, erklärt auch Dirk Manthey für die Deutsche Rentenversicherung Bund. Lediglich im Rahmen des Insolvenzrechts bestehe die Möglichkeit, dass bereits entrichtete Beiträge an den Insolvenzverwalter ausgezahlt werden. Davor habe der Gesetzgeber aber sehr hohe Hürden errichtet. Generell gelte nämlich – so Manthey – die Vermutung, „dass die Rentenversicherung bei Zahlung der Beiträge keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte“. Nur wenn diese Vermutung widerlegt werden könne, sei es möglich, dass bereits entrichtete Beträge ausgezahlt werden könnten.

All dies gilt auch für Ausgleichsbeiträge, die Versicherte ab dem 50. Lebensjahr entrichten können (nach 187a SGB VI). Solche Beiträge sollen zu erwartende Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt ausgleichen. Gerade ältere Arbeitnehmer, denen eine Pfändung droht, können so bei einer drohenden Pfändung hohe fünfstellige Beträge noch in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.

Rentenversicherung für Selbstständige und Freiberufler

Da der Aufbau einer gesetzlichen oder privaten Rente durch freiwillige Beitragszahlungen im Pfändungsfall immer gefährdet ist, könnte für Selbstständige die Entscheidung für eine Pflichtversicherung in der GRV attraktiv sein. In diesem Fall besteht eine regelmäßige Beitragspflicht und bei Pfändung der Anspruch auf eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrags.

Künstlersozialkasse

Wer über die KSK versichert ist, gehört zu den Pflichtversicherten. Das bedeutet: Bei einer Pfändung und auch beim Bezug von aufstockendem ALG 2 ist die weitere Beitragszahlung gesichert, weil die gezahlten Beiträge nicht der Pfändung unterliegen und bei Hartz 4 das anrechenbare Einkommen mindern.

Beiträge: Viele Künstler und Publizisten melden der KSK ein zu niedriges Einkommen. Das rächt sich nicht nur im Alter bei der Rente und im Krankheitsfall (beim Krankengeld), sondern auch bei einer Pfändung. Denn so muss mehr an die Gläubiger gezahlt werden. Realistische Beiträge, die dem tatsächlichen Einkommen entsprechen, bringen außerdem entsprechende Rentenansprüche.

Mehr über die Höhe der Rentenansprüche finden Sie in unserem Artikel: „Künstlersozialkasse: Sparen am falschen Ende“

Wann sind Rentenbeiträge während ALG 2-Bezug weiter zahlbar?

Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung bei ALG 2 weiter möglich

Wenn die Jobcenter prüfen, ob ein Anspruch auf ALG 2 besteht, werden jeweils Einkommen und Bedarf (nach den Regeln von Hartz 4) gegenübergestellt. Deckt das Einkommen den Bedarf nicht, so gibt es aufstockendes ALG 2. Bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten werden nur die Teile des Bruttoeinkommens angerechnet, die den Betroffenen effektiv zur Verfügung stehen. Gezahlte Steuern und Pflichtbeiträge zu den Sozialversicherungen sind davon ausgenommen. Daher können Arbeitnehmer im ALG-2-Bezug ihre gesetzlichen Rentenansprüche weiter ausbauen.

Minijob und ALG-2-Bezug: Sozialversicherungspflicht wählen

Auch bei Minijobbern, die zusätzlich ALG 2 erhalten, wird nur das effektiv ausgezahlte Arbeitsentgelt auf die staatlichen Leistungen angerechnet. Deshalb ist es für Minijobber im ALG-2-Bezug in aller Regel sinnvoll, es bei der Versicherungspflicht des Minijobs zu belassen.

Viele Jobber haben die Versicherungspflicht abgewählt. Eine Rückkehr in die Versicherungspflicht des Jobs ist dann nicht ganz einfach, aber möglich. Die Möglichkeit besteht, wenn ALG-2-Bezieher ihren bestehenden Minijob kündigen und nahtlos einen Minijob bei einem anderen Arbeitgeber übernehmen. Beim neuen Minijob tritt dann automatisch wieder Versicherungspflicht ein.

Beiträge zur freiwilligen Rentenversicherung bei Arbeitslosengeld 2

Wer vor dem Bezug von Arbeitslosengeld 2 freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt hat, sollte das auch als Hartz-IV-Bezieher möglichst weiterhin tun. Denn durch die Einsparung der monatlichen Beiträge ergibt sich für Bezieher von ALG 2 kein finanzieller Vorteil. Die Beiträge können nämlich vom erzielten Einkommen abgesetzt werden. Unterm Strich erhöht sich so das ausgezahlte ALG 2 – was die laufende Beitragszahlung ermöglicht.

Wichtig ist allerdings: Die Beiträge müssen „angemessen“ sein. „Sachgerecht ist dabei ein Vergleich mit den Beiträgen, die bei bestehender Rentenversicherungspflicht zu zahlen wären“, erklärt Christian Ludwig, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. Bei einem monatlichen Gewinn von 1.500 Euro wäre beim derzeitigen Beitragssatz von 18,6 Prozent ein Monatsbeitrag von 279 Euro angemessen.

Antragspflichtversicherung: Beitragsanpassung kann verlangt werden

Ähnliches gilt, wenn sich ein Selbstständiger für eine Antragspflichtversicherung entschieden hat. Die in diesem Fall fälligen Pflichtbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung mindern das anrechenbare Einkommen der Betroffenen. Gleiches trifft auch für diejenigen zu, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versichert sind. In beiden Fällen werden die Jobcenter allerdings wegen des gesunkenen Einkommens der Betroffenen vielfach eine Anpassung der Beiträge an deren veränderte finanzielle Verhältnisse verlangen.

Bezug von ALG 2 direkt vor der Rente

Ob und in welcher Höhe Antragsteller gesetzliche Rentenansprüche haben, spielt für den Anspruch auf Arbeitslosengeld 2 keine Rolle. Es gibt allerdings eine Ausnahme:

Bei ALG-2-Beziehern, die demnächst 63 Jahre alt werden, prüfen die Jobcenter, ob für diese die Beantragung einer Frührente statt ALG 2 zumutbar ist. Das Bundessozialgericht befand am 9.8.2018 zum Thema Zwangsverrentung von ALG-2-Beziehern: Ein älterer Arbeitsloser ist nicht verpflichtet mit 63 in eine Rente mit hohen Abschlägen zu gehen, wenn er einige Monate später die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge erhalten kann (Aktenzeichen B 14 AS 1/18 R).

Es gibt darüber hinaus eine Reihe von weiteren Fällen, in denen die Betroffenen mit 63 nicht in die Altersrente ausgesteuert werden dürfen. Geregelt ist dies in der Unbilligkeitsverordnung.

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Autor

Rolf Winkel