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Berufsunfähig! Diese Diagnose kann jeden treffen – natürlich auch Menschen, die nicht in Vollzeit arbeiten, sondern in Teilzeit tätig sind. Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung hat oder sie abschließen will, der stellt sich die Frage: Verändert eine reduzierte Arbeitszeit eigentlich meinen Schutz der Berufsunfähigkeitsversicherung?
Was heißt berufsunfähig?
Die Berufsunfähigkeitsversicherungen leisten in aller Regel, wenn Sie Ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr zu mindestens 50 Prozent ausüben können. Aber 50 Prozent wovon?
Betrachtet man dies rein quantitativ, also nach der durchschnittlichen Arbeitszeit, wird deutlich, wo das Problem liegen könnte:
- Eine Vollzeitkraft, die bislang täglich acht Stunden gearbeitet hat, erkrankt dauerhaft und kann deshalb nur noch drei Stunden arbeiten. Sie kommt auf einen Grad der Berufsunfähigkeit von 62,5 Prozent. Die 50-Prozent-Bedingung wäre erfüllt.
- Ihre Kollegin hat dieselbe Arbeit gemacht, allerdings als Teilzeitkraft nur vier Stunden täglich. Auch sie erkrankt und ist ebenfalls nur noch für drei Stunden einsetzbar. Rein rechnerisch erreicht sie nur einen Grad der Berufsunfähigkeit von 25 Prozent – und bekäme die versicherte BU-Rente nicht bewilligt.
Manche Versicherer bieten deshalb eine spezielle Teilzeitklausel an. Aber sind solche Klauseln wirklich sinnvoll?
Nicht nur die Arbeitszeit zählt
Tatsächlich ist die Rechnung nicht so einfach zu machen. Denn Berufsunfähigkeit bemisst sich immer nach quantitativen und qualitativen Aspekten. Es geht also nicht nur um die Arbeitszeit, sondern auch darum, ob Sie mit einer Erkrankung Ihre Kerntätigkeit aus gesunden Zeiten noch ausüben können. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente, die die Deutsche Rentenversicherung zahlt.
Arbeiten Sie zum Beispiel als Unternehmensberater mit einem Schwerpunkt auf der Vorort-Beratung südamerikanischer Firmen in Brasilien und Argentinien und können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fliegen, dann können Sie Ihren Job faktisch nicht mehr ausüben und sind berufsunfähig. Dabei spielt es keine Rolle, dass die vier bis sechs Flüge im Monat nur zehn bis 15 Prozent Ihrer Arbeitszeit ausmachen.
Zum anderen stehen die Gerichte vor allem bei einer vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit durchaus auf Seiten der Versicherten, wie ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (AZ: 5 U 355/12) zeigt. Die Richter entschieden, dass ein Versicherter, der trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen mit reduzierter Arbeitszeit im Berufsleben zu bleiben versucht, nicht damit bestraft werden darf, dass sein Versicherungsschutz in der Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Bemühungen entwertet wird. Daher müsse die vor Eintritt der gesundheitlichen Einschränkungen ausgeübte Berufstätigkeit in Vollzeit weiter maßgeblich für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sein, so das Gericht.
Teilzeitklauseln genau prüfen
Sind Teilzeitklauseln damit grundsätzlich überflüssig? Nein. Es hängt sehr davon ab, wie die Klauseln formuliert sind. Hier gibt es durchaus wichtige Unterschiede. Dafür muss man sich die Teilzeitklauseln im Detail anschauen.
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Weniger gute Klauseln…
So sehen manche Versicherer vor, dass bei einem Wechsel in Teilzeit die volle frühere Arbeitszeit zugrunde gelegt wird, um die Frage der 50-prozentigen Berufsunfähigkeit zu beantworten. Allerdings wird diese Regelung gerne durch Zusätze eingeschränkt. So gilt das zum Beispiel nur, wenn die Reduzierung durch die Elternzeit oder die Pflege eines Angehörigen bedingt ist. Wer also „nur“ die Work-Life-Balance pflegen und deswegen weniger arbeiten will, ist bei solchen Versicherern im Fall einer Berufsunfähigkeit im Nachteil.
Andere Versicherer begrenzen zwar den Wechsel in die Teilzeit nicht inhaltlich, wohl aber zeitlich. So wird zum Beispiel bei einem Versicherer nach zehn Jahren Teilzeit eine Berufsunfähigkeit dann nach der reduzierten Arbeitszeit bemessen. Solche Klauseln stellen Teilzeitkräfte dem Wortlaut nach besser, sind aber tatsächlich eher realitätsfern.
… und bessere Klauseln
Anderer Versicherer sind praxisnäher und berücksichtigen bei einer Beurteilung der Berufsunfähigkeit auch die Zeit, die für die Versorgung der Kinder im Haushalt aufgewendet wird. Hier können vor allem Familien profitieren, wenn der die Kinder versorgende Partner seien Arbeitszeit reduzieren will oder muss, um sich mehr der Kinderbetreuung zu widmen. Die dafür aufgewendete Zeit wird dann bei der Bemessung einer Berufsunfähigkeit mit einbezogen in die Beurteilung.
Und wieder andere Klauseln sind so formuliert, dass nicht die arbeitsvertraglich geregelte Arbeitszeit entscheidend ist, sondern die tatsächlich ausgeübte. Damit werden auch Selbstständige und Freiberufler eingeschlossen, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen oder müssen.
Gesamte Bedingungen entscheidend
Die Teilzeitklausel ist ein Bestandteil eines umfassenden Bedingungswerkes, das Ihre Ansprüche im Leistungsfall regelt. Die wichtigste ist sie sicherlich nicht, auch wenn sie im Einzelfall durchaus sinnvoll sein kann. Entscheidend ist immer, dass Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung zu Ihrem beruflichen Werdegang und den beruflichen Plänen passt – auch über die Aspekte der Arbeitszeit hinaus.
Vernachlässigen sollte man die Teilzeitklauseln je nach beruflicher Situation aber nicht. Bei einer Beratung zur Arbeitskraftabsicherung sollten Sie das Thema von sich aus anschneiden, damit der Vermittler Ihnen ganz individuell zeigen kann, ob eine Teilzeitklausel für Sie sinnvoll ist.