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Was ändert sich mit dem Bürgergeld beim Renteneintritt?
Bislang galt beim Arbeitslosengeld II eine generelle Pflicht zur Inanspruchnahme vorzeitiger Renten wegen Alters – wenn auch mit einem langen und komplizierten Ausnahmekatalog. Mit dem Bürgergeld-Gesetz ist diese Regelung weitgehend abgeschafft worden.
Die Abschaffung ist allerdings befristet bis Ende 2026. Wenn es nicht zu einer Verlängerung dieser Regelung kommt, gilt ab 2027 wieder die Pflicht zur vorzeitigen Renteneintritt mit 63 Jahren.
Ebenso Vergangenheit ist die so genannte „Unbilligkeitsverordnung“, die bestimmte, in welchen Fällen die Verpflichtung zum vorzeitigen Rentenantrag „unbillig“ war.
Bis zu welchem Alter wird Bürgergeld gezahlt?
In den meisten Fällen bis zum regulären Rentenalter. Ausnahmen gibt es für diejenigen, die Anspruch haben auf
- eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte oder
- eine abschlagfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen
Wann gilt ein Rentenantrag statt Bürgergeld-Bezug als zumutbar?
Bürgergeld-Beziehern ist es zumutbar, eine ungekürzte Rente zu beantragen.
Das Gesetz bestimmt zwar, dass sie für die Zeit von 2023 bis 2026 „nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen“. Aber: Laut Gesetzesbegründung besteht weiter die Pflicht, „eine Rente wegen Alters in Anspruch zu nehmen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ungeminderte Inanspruchnahme vorliegen.“ Ungemindert meint: ohne Rentenabschläge.
Fall 1: Sie erfüllen die Voraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist immer ungemindert, denn sie wird immer ohne Abschläge gewährt. Damit gilt sie für Bürgergeld-Bezieher als zumutbar.
Wenn Sie die geforderten 45 Versicherungsjahre nachweisen können und das entsprechende Alter für diese Rente erreichen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als diese zu beantragen. Jedenfalls fallen Sie aus dem Bürgergeld-Bezug heraus. Dies kann Bürgergeld-Bezieher betreffen, die zwischen 64 und 65 Jahre alt sind.
Fall 2: Sie erfüllen die Voraussetzungen für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen
Auch die Altersgrenze für schwerbehinderte Menschen steigt Schritt für Schritt an, bis auf 65 Jahre.
- Wenn Sie das entsprechende Alter erreicht haben, können Sie die „Schwerbehindertenrente“ abschlagfrei beziehen. Das ist Bürgergeld-Beziehern zumutbar.
- Alternativ können Sie diese Rente auch drei Jahre vor Erreichen der für Ihren Jahrgang geltenden Altersgrenze beziehen, dann mit Abschlägen. Dazu sind Sie aber als Bürgergeld-Bezieher nicht verpflichtet – jedenfalls bis Ende 2026.
Fall 3: Sie erfüllen die Voraussetzung für die Altersrente für langjährig Versicherte
Als Bürgergeld-Bezieher müssen Sie die Altersrente für langjährig Versicherte nicht beantragen, denn diese vorzeitige Rente gibt es immer nur mit Rentenabschlägen.
Fall 4: Sie erfüllen die Voraussetzungen für die reguläre Altersrente
Mit Erreichen der regulären Altersrente werden Sie immer aus dem Bürgergeld-Bezug ausgesteuert. Stattdessen können Sie dann Grundsicherung im Alter beantragen.
Bürgergeld oder früher in Rente – Ihre Entscheidung
Soweit Sie Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld haben, dürften Sie in den meisten Fällen die freie Wahl zwischen Bürgergeld und Rente haben. Je später Sie in Rente gehen, desto geringere Rentenabschläge fallen später an.
Beispiel: Herr M. ist 1960 geboren und erfüllt die 35jährige Wartezeit für die Altersrente für langjährig Versicherte. Er kann diese Rente 2023 beantragen. Dann muss er aber einen Rentenabschlag von bis zu 12 Prozent hinnehmen. Wenn Herr M. stattdessen weiterhin Bürgergeld bis zu seinem regulären Rentenalter bezieht, dann wird später seine Rente nicht gekürzt.
Steigt die Rente durch die Zeit des Bezugs von Bürgergeld?
Nein. Die Zeit, in der Sie Bürgergeld beziehen, bringt keine Rentenpunkte (Entgeltpunkte) ein und damit auch kein Rentenplus. Sie zählt allerdings als so genannte „Anrechnungszeit“.
Bringt die Bewertung als „Anrechnungszeit“ Vorteile bei der Rente?
In vielen Fällen ja:
Wenn Sie bereits einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erworben hatten, geht Ihr Anspruch in der Zeit, in der Sie Bürgergeld erhalten, nicht verloren.
Die Zeit des Bürgergeld-Bezugs trägt zur Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren bei, nach der Sie eine vorzeitige Altersrente (für Schwerbehinderte und langjährig Versicherte) erhalten können.
Beispiel: Frau L. bekommt Bürgergeld. Sie ist 63 Jahre alt und schwerbehindert. Sie erfüllt aktuell noch nicht die für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen nötigen 35 Versicherungsjahre, weil ihr noch zwei Jahre fehlen. Wenn sie zwei weitere Jahre Bürgergeld bezieht, kann sie mit 65 Jahren die „Schwerbehindertenrente“ ohne Abschlag bekommen.
Was gilt bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte?
Bei der 45jährigen Wartezeit für die abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte werden Bürgergeld-Zeiten nicht mitgerechnet.
Soweit Ihnen nur ein oder zwei Versicherungsjahre fehlen, um die begehrte Frührente im passenden Alter erhalten zu können, kann es sich lohnen, einen Minijob aufzunehmen. Dies gilt auch für Kleinst-Minijobs, also beispielsweise für einen Job mit einem monatlichen Entgelt von brutto 200 Euro.
Aber Achtung: Damit die Zeit als vollwertige Versicherungszeit zählt, dürfen Sie nicht die Versicherungspflicht abwählen.
Als Minijobber bessern Sie auch Ihr aktuelles Einkommen auf. Denn ein Teil des Arbeitsentgelts wird nicht auf das Bürgergeld angerechnet.
Muss ich meine private Altersvorsorge aufbrauchen, bevor ich Bürgergeld erhalte?
Nein. Diese Gefahr besteht nach der neuen Rechtslage nicht mehr.
- Versicherungsverträge, die der Altersvorsorge dienen, sind laut Gesetzesbegrünung „vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen“. Vertragsanpassungen, die bisher notwendig waren, werden nicht mehr gefordert. Die Freistellung gilt laut Gesetzesbegründung ausdrücklich auch „für andere Formen als Versicherungsverträge […] (zum Beispiel Banksparpläne)“.
- Nach den beim ALG II geltenden Regeln war es notwendig, einen Verwertungsausschluss (bisher: im Versicherungsvertragsgesetz geregelt) für die entsprechenden Verträge zu vereinbaren. Diese Regelung wurde gestrichen.
- Für Selbstständige gilt Altersvorsorgevermögen in angemessener Höhe künftig generell als nicht verwertbar. Soweit Selbstständige Bürgergeld beantragen, werden diese also nicht aufgefordert, zunächst ihr Altersvorsorgevermögen aufzulösen.
Was gilt als „angemessene“ Altersversorgung bei Selbständigen?
Als angemessen wird für jedes Jahr der Selbstständigkeit ein Betrag angesehen, der sich an der Beitragszahlung zur allgemeinen Rentenversicherung bei einem Verdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts orientiert.
Dazu wird auf den im Zeitpunkt der Antragsstellung gültigen Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und das letzte verfügbare endgültige Durchschnittsentgelt abgestellt. Der sich ergebende Betrag wird auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet.
Für 2023 ergibt sich damit auf Grundlage der aktuell vorliegenden, noch vorläufigen Daten ein Freibetrag von 8000 Euro multipliziert mit der Zahl der Jahre mit hauptberuflicher selbstständiger Tätigkeit.
Wer zum Beispiel 20 Jahre selbstständig tätig ist, für den wird damit aktuell ein für die Alterssicherung vorgesehenes Vermögen im Wert von 160.000 Euro als angemessen angesehen.
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