Soziales / 30.06.2016

Demografischer Wandel in Deutschland

Die Deutschen werden immer älter, das ist kein Geheimnis. Wie viel länger sie leben als früher, wovon das abhängt und was es bedeutet, zeigt der Faktencheck.

Senioren mit Kreuzworträtsel – Bildnachweis: wdv © Lauer, Jan

Das Statistische Bundesamt befasst sich in seinem Datenreport 2016 unter anderem mit dem demografischen Wandel: Diesen verursacht – neben der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung – hauptsächlich das anhaltend niedrige Niveau der Neugeborenen. So bekommt jede Frau hierzulande im Durchschnitt 1,4 Kinder.

Die Folge: Seit etwa 40 Jahren wird die Elterngeneration nur zu zwei Dritteln durch Geburten ersetzt. Die Altersstruktur der Bevölkerung ändert sich, es gibt immer mehr Ältere und weniger Jüngere. In den letzten 100 Jahren hat sich die Lebenserwartung in Deutschland verdoppelt. Allein in den letzten 50 Kalenderjahren gab es eine Zunahme von elf Lebensjahren.

Die längere Lebenserwartung ist das Resultat eines verbesserten Lebensniveaus und des medizinischen Fortschrittes. Die Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland nähern sich immer mehr an, was sich auch in der Angleichung der Lebenserwartung abbildet. Frauen aller Altersgruppen und Männer im Alter über 60 Jahren haben von den Veränderungen nach der Wende am stärksten profitieren können. Die wesentlichen Gründe für die Steigerung der Lebenserwartung sind bessere Ernährung, gesündere Wohnsituationen, Verbesserung der sozialen Sicherheit und der medizinischen Versorgung.

Bildungsniveau entscheidend

Menschen mit einem hohen Bildungsniveau haben größere Chancen, bessere Lebensbedingungen und ein höheres Alter bei besserer Gesundheit zu erreichen. Es ist auch bekannt, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Daher gibt es in Deutschland mehr Frauen in hohem Alter als Männer. Auf einen Mann kommen im Alter von 80 Jahren und älter etwa drei Frauen; im Alter von 100 Jahren und älter sind es sogar 7,5 Frauen.

Bislang lassen sich für die menschliche Alterung keine biologischen Grenzen erkennen. Für die künftige Entwicklung ist zu vermuten, dass in 100 Jahren über die Hälfte eines Geburtsjahrganges das Alter von 100 Jahren erreichen könnte.

Unterschiede zwischen West und Ost

Bis Mitte der 1960er-Jahre bestanden kaum Unterschiede bei der Sterblichkeit zwischen Ost- und Westdeutschland. Spätere Differenzen glichen sich nach der Wiedervereinigung bis 2003 nach und nach an – allerdings nicht in allen Altersgruppen. Ostdeutsche Männer zwischen 35 und 54 Jahren haben eine bis zu 50 Prozent erhöhte Sterblichkeit. Das lässt sich anhand der Merkmale Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Krankenversicherung und Staatsbürgerschaft erklären. Diese höhere Sterblichkeit in den neuen Ländern folgt aus einer ungünstigeren Zusammensetzung der Bevölkerung hinsichtlich Altersstruktur, Ausländeranteil und sozioökonomischen Faktoren im Vergleich zu den alten Ländern.

Es zeigt sich, dass arbeitslose Männer ein zweifach höheres Sterberisiko haben. Eine Angleichung der Arbeitsmarktsituation in Ost- und Westdeutschland sollte auch die Lebenserwartung der Männer im Osten erhöhen.

Auch die Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung waren in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich und haben sich nach der Wiedervereinigung angeglichen: Das betrifft die Ausstattung des ambulanten und stationären Bereiches, ärztliche Leistungen, medizintechnologische Möglichkeiten und das Finanzierungsvolumen.

Weitere Merkmale, die die Lebenserwartung beeinflussen, sind - wie erwähnt – Bildung, aber auch das Einkommen. Das wirkt sich auch auf die Rentenhöhe aus (kumuliertes Lebenszeiteinkommen). Bei Männern, die 32 und mehr Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, ergibt sich ein linearer Zusammenhang mit der Lebenserwartung: Je mehr Entgeltpunkte sie erreicht haben, desto höher ist die Lebenserwartung. Diesbezüglich gibt es keinen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschen im Alter ab 65 Jahren.

Mehr gesundheitliche Einschränkungen in zunehmendem Alter

Wer sehr lange lebt, unterliegt mit steigender Lebensdauer verstärkt Risiken körperlicher und kognitiver Einschränkungen und Erkrankungen. Sehr alte Menschen haben oft mehrere Krankheiten zugleich (Multimorbidität). Zwar bleiben ältere Menschen heute länger gesund und haben ein besseres Wohlbefinden. Auch für die Zukunft ist zu erwarten, dass die gesunden Lebensjahre und die behinderungsfreie Lebenserwartung zunehmen werden. Da gleichzeitig jedoch mehr Menschen noch älter werden als bisher und das oft mit gesundheitlichen Einschränkungen einhergeht, ist auch mit mehr Pflegefällen zu rechnen.

Die Sterblichkeitsentwicklungen gehen bei beiden Geschlechtern systematisch vom hohen Alter in ein noch höheres Alter über. Im Jahr 1960 erreichen 20 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer, die damals den 80. Geburtstag feierten, das Alter von 90 Jahren. 40 Jahre später sind es 45 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer.

Deutschland wächst und altert

Die Altersklassen im Prognosezeitraum 2015 bis 2060 sind erwartungsgemäß sehr unterschiedlich besetzt: Somit wird dem Bevölkerungsrückgang im Alter von 20 bis 59 Jahren ein Zuwachs im Alter von 60 bis 79 Jahren und im Alter von 80 Jahren und älter gegenüberstehen. Während die Altersklasse 80 und älter besonders in den Zeiträumen 2015 bis 2020 und 2030 bis 2050 wachsen wird, wird es vor allem im Zeitraum 2020 bis 2030 immer mehr Menschen im Alter von 60 bis 79 Jahren geben.

Die aktuelle Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) konkretisiert den Zuwachs der alternden Bevölkerung: Im Jahr 2035 werden laut IW Köln 26 Prozent der Bevölkerung älter als 67 sein. Heute sind es knapp 19 Prozent.

Es fehlen die Kinder

Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes geht davon aus, dass der Anteil der 80-Jährigen und Älteren sich von knapp zehn Prozent Bevölkerungsanteil auf fast 15 Prozent erhöhen wird. Im Gesamtzeitraum kommt es zu einem stetigen Rückgang der Bevölkerung bis 19 Jahre, da die Elterngeneration nicht durch deren Kinder ersetzt wird.

Zurzeit leben 81,9 Millionen Menschen in Deutschland. Bis 2021 wird die Einwohnerzahl aufgrund der Einwanderungen auf 83,9 Millionen steigen. Das IW Köln prognostiziert, dass die Einwohnerzahl ab 2028 wieder leicht sinken wird. Für das Jahr 2035 geht das IW Köln von 83,1 Millionen Menschen in Deutschland aus. Das sind etwa drei Millionen Einwohner mehr, als das Statistische Bundesamt in seiner Bevölkerungsvorausberechnung annimmt.

Wesentlich mehr 100-Jährige

Nach dem Kalenderjahr 2055 wird die Dynamik der Strukturveränderungen weitgehend abgeschlossen sein. Die Altersgruppe der 95- bis 99-Jährigen wird im Jahr 2055 ein Prozent erreichen und die Altersgruppe 100 Jahre und älter wird 2060 noch unter 0,5 Prozentpunkten liegen. 2060 sind im Vergleich zu heute zwölfmal mehr 100-Jährige und Ältere zu erwarten.

Autor

Karl-Josef Steden