Rente / 06.05.2019

Grundrente: Bestimmte Versicherte profitieren schon heute von Rentenaufwertung

Berufsausbildung, Kindererziehung, Niedrigverdienste: Die Deutsche Rentenversicherung wertet schon heute einige Versicherungszeiten auf. Wie die Höherwertung funktioniert und was die Grundrente zusätzlich bringen soll.

Bild zum Thema Grundrente und Rentenaufwertung: Älteres Paar sitzt lachend im Garten vor einem Haus

Inhalt

Wie funktioniert die Kinderberücksichtigungszeit?

Die Kindererziehungszeit im Sinne der Rentenversicherung endet, wenn ein Kind drei Jahre alt wird. Um diese Zeit geht es, wenn von der „Mütterrente“ die Rede ist. Die Zeit danach bis zum 10. Geburtstag eines Kindes wird als „Kinderberücksichtigungszeit“ gewertet. Wer mehrere Kinder hat, bei dem zählt meist der komplette Zeitraum, bis das jüngste Kind zehn Jahre alt ist. Die Kinderberücksichtigungszeit bringt bei gleichzeitiger (Teilzeit-)Beschäftigung in vielen Fällen ein Rentenplus.

Rentenplus auch bei Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes

Wenn ein Kind pflegebedürftig ist und von einem Elternteil (nicht erwerbsmäßig) betreut wird, so kann bis zum 18. Geburtstag eine Kinderberücksichtigungszeit anerkannt werden. Diese bringt ein Rentenplus, wenn der betreuende Elternteil erwerbstätig ist oder wenn dieser mindestens ein weiteres Kind unter zehn Jahren betreut (siehe unten).


Aufwertung I: Kinderberücksichtigungszeit – Rentenplus meist für Mütter

Mütter treten oft im Job kürzer. Auch deshalb bekommen sie später weniger Rente. Doch die deutsche Rentenversicherung sorgt für einen Ausgleich. Für Mütter mit Teilzeitjobs gibt es ab dem 3. Geburtstag eines Kindes eine Rentenaufwertung – insgesamt um bis zu 75 Euro. Davon profitieren bislang gut eine Million Rentenbezieherinnen.

Die „Mütterrente“ war in der letzten Zeit in aller Munde. Dabei geht es um Rentenpunkte in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes (bei Geburten vor 1992: in den ersten zweieinhalb Jahren). Vergessen werden dabei oft die Sonderleistungen, die die Rentenversicherung bis zum 10. Lebensjahr eines Kindes für den erziehenden Elternteil leistet. Dabei handelt es sich ganz ähnlich wie bei der vom Bundesarbeitsministerium vorgeschlagenen Grundrente um eine echte Rentenaufwertung. Das Zauberwort heißt hier „Kinderberücksichtigungszeit“.

Wie wird dabei gerechnet?

Profitieren können erziehende Elternteile, die zwischen dem dritten und zehnten Geburtstag eines Kindes weniger als der Durchschnitt aller Rentenversicherten verdienen. Mütter sind (und waren) vielfach Teilzeitbeschäftigte. Für sie trifft diese Voraussetzung oft zu.

Nehmen wir zum Beispiel die aktuelle Situation: Der jährliche Durchschnittsverdienst aller Rentenversicherten ist für 2019 vorläufig auf 38.901 Euro angesetzt. Niedrigere Arbeitsentgelte, die Mütter (oder auch erziehende Väter) zwischen dem dritten und zehnten Geburtstag ihres Kindes erzielen, werden (was die Rente betrifft) maximal auf diesen Betrag hochgewertet, aber zugleich nie um mehr als 50 Prozent.

Beispiel:

Eine Teilzeitangestellte, Mutter eines vierjährigen Kindes, verdient derzeit monatlich 1.800 Euro brutto. Das entspricht einem jährlichen Einkommen von 21.600 Euro. Dieses Einkommen kann wird – was die Rente betrifft – um 50 Prozent auf 32.400 Euro hochgewertet. In Rentenpunkten (Entgeltpunkten = EP) ausgedrückt: Die Betroffene kann für das Jahr 2019 nicht nur 0,555 Entgeltpunkte erhalten – was ihrem Gehalt entsprechen würde –, sondern 0,833 EP. Das bringt für die spätere monatliche Rente ein Plus von rund 9 Euro (nach den Preisen und Rentenwerten von heute).

Ab einem monatlichen Brutto von rund 2.161 Euro erfolgt 2019 eine Aufwertung auf das vorläufige Durchschnittsentgelt (von 38.901 Euro) bzw. auf einen Entgeltpunkt – höher geht es also nicht.


Wie hoch ist das maximale Rentenplus durch die Kinderberücksichtigungszeit?

Insgesamt kann die Kinderberücksichtigungszeit in den sieben Jahren zwischen dem dritten und zehnten Geburtstag eines Kindes maximal ein Rentenplus von 2 1/3 Rentenpunkten (Entgeltpunkten) bringen. Das sind nach den derzeitigen Werten maximal knapp 75 Euro.

Profitieren alle Elternteile von einer entsprechenden Höherbewertung?

Nein, zunächst einmal: jeweils für einen bestimmten Zeitraum hat immer nur ein Elternteil etwas von dieser Regelung. Ob das die Mutter oder der Vater ist, können Eltern selbst festlegen. Wenn in einem Jahr beispielsweise der Vater wenig verdient, kann die Kinderberücksichtigungszeit ihm zugeordnet werden. Die Rentenversicherung verlangt dabei übrigens keinen Nachweis darüber, wer das Kind in welcher Zeit tatsächlich vorwiegend betreut hat.

Haben auch Eltern, die in ihrem Arbeitsleben insgesamt nur kurze Zeit gesetzlich rentenversichert waren, Vorteile von der Regelung?

Nein. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass die Betroffenen 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten nachweisen können. Doch diese Hürde ist recht leicht zu nehmen. Denn bei diesen 25 Jahren werden auch die Kinderberücksichtigungszeiten mitgerechnet werden.

Bringen die Kinderberücksichtigungszeiten auch Minijobbern ein Rentenplus?

Da müssen Eltern sehr aufpassen. Denn die Vorteile gelten nicht für Mini-Jobs ohne Rentenversicherungsschutz. Aufgewertet werden nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten, also auch Minijobs, die rentenversicherungspflichtig sind, nicht jedoch Zeiten mit einer geringfügigen Beschäftigung (Mini-Job ohne Rentenversicherungspflicht.

Und was gilt für die vielen Minijobber, die die Rentenversicherung abwählen?

Die schneiden sich sozusagen ins eigene Fleisch. Von der Möglichkeit, die Rentenversicherungspflicht abzuwählen, sollten insbesondere Mütter (ggf. auch Väter) in der Kinderberücksichtigungszeit keinen Gebrauch machen. Denn sonst können sie von der Aufwertung ihrer Beschäftigungszeit bei der Rente nicht profitieren. Ein Mini-Job mit 450 Euro Verdienst wird im Aufwertungsfall bei der Rente immerhin wie ein 675-Euro-Job behandelt. Und das bei einer geringfügigen Mehrbelastung von 16,20 Euro im Monat bei einem vollen 450-Euro-Job.

Gibt es eine Sonderregelung für Eltern mit mehreren (kleinen) Kindern?

Ja. Ein Extraplus bei der Rente bekommen Mütter (auch Väter auch, wenn diese die Erziehung übernehmen), die zwei oder mehr Kinder unter zehn Jahren gleichzeitig erziehen. Den Betroffenen wird auch ohne Berufstätigkeit für jedes Jahr ab dem 3. Geburtstag eines Kindes ein Rentenanspruch anerkannt – so als ob sie jährlich ein Arbeitseinkommen im Wert von einem Drittel Entgeltpunkt erzielt hätten. Das bringt nach dem derzeitigen Rentenwert ein Plus von etwa 11 Euro in der Monatsrente.

Spielt die Kinderberücksichtigungszeit auch eine Rolle, wenn es um den Anspruch auf eine Frührente geht?

Aber ja. Sie zählt bei allen vorgezogenen Altersruhegelder voll mit. Das gilt auch bei der abschlagsfreien Frührente für besonders langjährig Versicherte. Mütter (und erziehende Väter) können deshalb unter Umständen deutlich früher ohne Abschlag in Rente gehen.

Welche Rentner-Jahrgänge profitieren von den Kinderberücksichtigungszeiten?

Zusatz-Entgeltpunkte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung können bei Neurentnern seit Anfang 2002 gutgeschrieben werden. Eine Entgeltgutschrift ist möglich für Kinderberücksichtigungszeiten ab 1992 – übrigens auch für vorher geborene Kinder, bis diese zehn Jahre alt sind. Für Zeiten vor 1992 ist – unabhängig von der Kindererziehung – eine Höherbewertung von Zeiten mit niedrigem Arbeitsentgelt möglich.

Tipp:

„Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sollten im Standardfall nach Ablauf der Berücksichtigungszeit (also zehn Jahre nach der Geburt) beantragt werden“, rät Dirk Manthey von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Eine Höherbewertung von Beschäftigungszeiten kann man der Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers entnehmen. Die eigentliche Höherbewertung erfolgt allerdings erst bei der tatsächlichen Rentenberechnung.


Spielt bei den Rentenvorteilen, die die Kinderberücksichtigungszeit bringt, die Bedürftigkeit der Betroffenen eine Rolle?

Nein. Ob die Betroffenen als Rentner Vermögen haben und welche Einkommen sie außer der gesetzlichen Rente haben, interessiert die deutsche Rentenversicherung nicht.

Aufwertung II: Betriebliche Berufsausbildung

Auszubildende sind automatisch in der Deutschen Rentenversicherung und in den anderen Sozialversicherungen abgesichert. Ab dem ersten Tag einer betrieblichen Berufsausbildung sind die Betroffenen rentenversicherungspflichtig. Der Arbeitgeber ist für die Abführung der Beiträge an die gesetzliche Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung verantwortlich. Die Beiträge zur Rentenversicherung tragen Azubi und Ausbildungsbetrieb je zur Hälfte. Ist die Ausbildungsvergütung niedriger als 325 Euro monatlich, zahlt der Arbeitgeber allerdings den vollen Rentenbeitrag.

Was bringen die Ausbildungszeiten für die Rente?

Betriebliche Ausbildungszeiten (nicht jedoch Studien- oder Schulzeiten!) sind zunächst einmal vollwertige Versicherungszeiten, sie tragen also dazu bei, dass die so genannten Wartezeiten bei der regulären Altersrenten, den vorgezogenen Altersruhegelder und der Erwerbsminderungsrente) erfüllt werden und später ein Rentenanspruch besteht. Aufgrund der relativ niedrigen Ausbildungsentgelte bringen die Azubi-Zeiten natürlich nur relativ niedrige Rentenansprüche. Deshalb erfolgt hier eine Aufwertung.

Wie wird die Ausbildungszeit aufgewertet?

Nachgewiesene betriebliche Ausbildungszeiten (nicht jedoch: Schul- und Studienzeiten) werden bei der Rentenberechnung in der Regel höherbewertet – und zwar auf maximal 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten in jeweiligen Jahr. Höhergewertet werden maximal drei Ausbildungsjahre. Ob die Azubis dabei einen Berufsabschluss gemacht haben oder nicht, spielt keine Rolle.

Spielt die Höhe des Ausbildungsentgelts dabei eine Rolle?

Nein. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, bringt ein Azubi-Jahr immer 0,75 Rentenpunkte (Entgeltpunkte), das entspricht – nach den derzeitigen Werten – einem Rentenplus von etwa 24 Euro bei der späteren Monatsrente. Ohne die Aufwertung würde die Ausbildung vielfach nur einen Rentenanspruch von etwa 6 Euro bringen (nach dem derzeitigen aktuellen Rentenwert).

Wird die Ausbildung immer auf 0,75 EP hochgewertet?

Nein. Voraussetzung hierfür ist, dass die versicherungspflichtigen Einkünfte im gesamten Arbeitsleben durchschnittlich mindestens 75 Prozent der Einkünfte aller Versicherten betrugen – andernfalls ist die Höherbewertung durch den niedrigeren individuellen Wert begrenzt. Wer beispielsweise im Schnitt nur 60 Prozent des Durchschnittseinkommens erzielt hat, bei dem wird die Ausbildungszeit auch nur auf maximal 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes in den entsprechenden Jahren hochgewertet.

Tipp:

Zeiten einer Lehre müssen im Rentenkonto auch tatsächlich als Ausbildungszeiten verzeichnet sein. Im Versicherungsverlauf muss für die entsprechenden Zeiten „Pflichtbeiträge berufliche Ausbildung“ vermerkt sein. Eine Höherbewertung der Ausbildungszeiten erfolgt dann – soweit hierauf Anspruch besteht – automatisch. Doch vor allem bei Ausbildungen in den 60er und manchmal auch in den 70er-Jahren ist die Azubi-Zeit mitunter als normale Beschäftigungszeit registriert. Sollte dies nicht der Fall sein, so können Versicherte jederzeit eine Korrektur des Rentenkontos beantragen. Als Beleg reicht es in der Regel, wenn man den früheren Ausbildungsvertrag vorlegt.


Auch hier die Frage: Gibt es bei der Aufwertung von Azubi-Zeiten eine Bedürftigkeitsprüfung?

Nein. Ob die Betroffenen als Rentner Vermögen haben und welche Einkommen sie außer der gesetzlichen Rente haben, interessiert die deutsche Rentenversicherung nicht.

Aufwertung III: Rentenplus für Niedrigverdiener vor 1992

Schnee von gestern? Das ist die alte – 1992 ausgelaufene – Rente nach Mindestentgeltpunkten höchstens auf den ersten Blick. Denn nach aktuellen Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung Bund profitierten hiervon Ende 2017 noch 3,6 Mio. Rentenbezieher. Sogar 156.000 Renten, die 2017 erstmals bewilligt wurden, wurden noch nach der alten Mindestentgelt-Regelung aufgewertet. Die Regelung findet sich in § 262 SGB VI, der die Überschrift „Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt“ trägt.

Wie funktioniert die Aufwertung der früheren Beschäftigungszeiten?

Soweit in Beschäftigungsjahren vor 1992 niedrige Entgeltpunkte (EP) erworben wurden – egal ob wegen einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung – können diese um bis zu 50 Prozent aufgewertet werden. Wer in einem Jahr z. B. nur 0,4 Rentenpunkte (EP) erworben hat, kann 0,2 EP zusätzlich gutgeschrieben bekommen. Wer in einem Jahr nur 0,2 EP erworben hat, kann zusätzlich auch nur 0,1 EP bekommen. Der aktuelle Vorschlag von Bundesarbeitsminister Heil (siehe unten) sieht besonders für Niedrigverdiener eine günstigere Lösung vor.

Gibt es für die Aufwertung für die „alten“ Beschäftigungszeiten eine Obergrenze?

Ja. Diese liegt bei 75 Prozent des Durchschnittsentgelts bzw. 0,75 EP. Einzelne Beschäftigungsjahre werden maximal auf diesen Wert hochgewertet. Die maximale Aufwertung gibt es, wenn jemand ohnehin in einem Jahr die Hälfte des Durchschnittsentgelts erzielt hatte.

Welches Rentenplus kann diese Regelung Versicherten bringen?

Diese Regelung kann Versicherten derzeit durchaus ein Plus von bis zu 160 Euro bei der monatlichen Bruttorente bringen. Das zeigt folgende Rechnung: Nehmen wir an, ein Versicherte hat 20 Jahre lang jeweils die Hälfte des durchschnittlichen Entgelts aller Versicherten erzielt. Damit hat er jeweils 0,5 EP erwirtschaftet. Soweit er die Voraussetzungen hierfür erfüllt, werden diese 0,5 EP jeweils um 0,25 EP aufgewertet. Geschieht dies in 20 Jahren, so kommen 5 zusätzliche EP zusammen. Bei einem aktuellen Rentenwert von 32,03 Euro kommen dabei gut 160 Euro zusammen.

Erfolgt die Aufwertung der niedrigen Entgelte in jedem Fall?

Nein. Es gibt zwei Voraussetzungen:

Voraussetzung Nr. 1: Die Regelung kommt für diejenigen in Frage, die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten nachweisen können, wobei u.a. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (bis zum 10. Geburtstag eines Kindes) mitgerechnet werden. Gerade Mütter, die längere Zeit teilzeitbeschäftigt waren, sind und waren Nutznießerinnen der Renten-Aufwertung.

Voraussetzung Nr. 2: Von der Regelung profitiert nur, wer im Verlauf seines Arbeitslebens insgesamt auch nur relativ wenig verdient hat und insgesamt auch nur relativ geringe Rentenansprüche erworben hat. Wer dagegen nur einige Jahre lang wenig verdient hat und danach zu den „Gutverdienern“ (und den „guten“ Beitragszahlern) gehörte, profitiert nicht von der Aufwertungsregelung. Die genaue Grenze liegt dabei wieder bei 75 Prozent – und zudem wird das ganze Arbeitsleben hierbei in den Blick genommen, also auch die Zeit nach 1992.

Für alle Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen muss der Durchschnittswert nämlich 0,0625 Entgeltpunkten liegen. Zur Erläuterung: Dieser Wert ergibt sich, wenn man den Jahreswert von 0,75 Entgeltpunkten durch 12 Monate teilt.

Beispiel: Sie waren 40 Jahre – also 480 Kalendermonate – beitragspflichtig beschäftigt und haben in dieser Zeit 29,5 Entgeltpunkte erreicht. Damit erfüllen Sie die zweite Voraussetzung so gerade noch. Die 29,5 Entgeltpunkte werden dann nämlich durch 480 Kalendermonate geteilt. Das ergibt einen Schnitt von 0,0614 Entgeltpunkten, was noch knapp unterhalb der Grenze des Erlaubten gilt. Damit haben Sie einen Rechtsanspruch darauf, dass niedrig entlohnte Beschäftigungszeiten vor 1992 in Ihrem Rentenkonto aufgewertet werden.

Gibt es bei dieser Regelung eine Bedürftigkeitsprüfung?

Nein. Eine Bedürftigkeitsprüfung – wie derzeit aus Kreisen der Union bei der neuen Grundrente gefordert – gibt es bei der „Altregelung“ nicht und sie war hier auch niemals in der Diskussion. Laut dem Protokoll der entscheidenden Ausschusssitzung, bei der am 3. November 1989 über diese Renten-Aufwertung verhandelt wurde, erläuterten Mitglieder von CDU/CSU, SPD und FDP unisono, dass so „erfahrungsgemäß die Niedriglöhne von Frauen ausgeglichen würden“ (BT-Drs. 11/5530, S. 21).

Aufwertung neu: Das Grundrenten-Konzept

Was ist unter der neuen Grundrente zu verstehen?

„Die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, soll honoriert und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs zugesichert werden.“ So steht es im Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD im März 2018 vereinbart haben. Die Grundrente, zu der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil jetzt ein Konzept vorgelegt hat, soll diesen Auftrag umsetzen. Sie soll für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben und trotzdem nur eine gesetzliche Rente unterhalb des Existenzminimums bekommen, die Rente aufstocken. So soll die Altersarmut eingedämmt werden.

Wie soll die Grundrente funktionieren?

Wer mindestens 35 Jahre lang in Voll- oder Teilzeit gearbeitet und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, aber wenig verdient hat, soll im Alter nicht mehr in die Grundsicherung fallen. Auch Zeiten der Kindererziehung (Kinderberücksichtigungszeiten) oder der Pflege von Angehörigen sollen bei den 35 Jahren mit berücksichtigt werden. Die Rentenversicherung soll dann die erworbenen Rentenpunkte in der Zeit der beitragspflichtigen Beschäftigung automatisch hochwerten – dadurch steigt der bisher niedrige Rentenanspruch, und zwar nachdem derzeitigen aktuellen Rentenwert um maximal 448 Euro.

Wann und wie soll denn eine Aufwertung der Renten erfolgen?

Grundlage dafür sind die durchschnittlichen Beiträge im Erwerbsleben. Wer in einem Jahr genauso viel verdient wie der Durchschnitt aller gesetzlich Rentenversicherten, der bekommt für seine Rente genau einen Entgeltpunkt (EP) gutgeschrieben. Der Vorschlag des Arbeitsministers lautet: Wurden im Durchschnitt von 35 anerkannten Versicherungsjahren wenigstens 0,2 EP, höchstens aber (weniger als) 0,8 EP erworben, wird die Rente aufgewertet.

Welche Ansprüche sollen wie stark aufgewertet werden?

Die entscheidende Grenze beim BMAS-Konzept liegt bei durchschnittlich 0,4 EP. Um das zu veranschaulichen: So viel erwirbt derzeit ein Arbeitnehmer mit einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1.297 Euro. Soweit ein Arbeitnehmer im Schnitt 0,4 EP erwirtschaftet hat, soll eine Rentenaufwertung dafür sorgen, dass 0,8 EP zusammen kommen. Die Aufwertung beläuft sich in dem Fall auf 0,4 EP pro Jahr. Wer im Schnitt 0,5 EP erwirtschaftet hat, soll eine Aufwertung um 0,3 EP bekommen, so dass ebenfalls im Schnitt 0,8 EP zusammen kommen. Wer im Schnitt auf 0,79 EP kommt, könnte danach nur mit einer Aufwertung um 0,01 EP rechnen.

Und was gilt, wenn Arbeitnehmer im Schnitt weniger als 0,4 EP erwirtschaftet haben?

Soweit sie im Schnitt auf mehr als 0,2 EP kommen, werden ihre EP verdoppelt. Aus 0,2 EP werden also 0,4 EP und aus 0,3 EP werden 0,6 EP.

Minijobber würden damit von dem neuen Grundrentenkonzept nicht profitieren?

Das kommt ganz darauf an. Wer in seinem ganzen Arbeitsleben auf dem Minijob-Niveau gearbeitet und verdient hat, kann von dem Heil-Konzept nicht profitieren. Denn bei einem Minijob kann man pro Jahr nicht auf 0,2 EP kommen. Anders ist es bei denjenigen, die nur einige Jahre einen versicherungspflichtigen Minijob ausgeübt haben und danach deutlich mehr verdient haben. Sie kommen im Schnitt auf mehr als 0,2 EP – und dann könnte auch die Minijob-Zeit hochgewertet werden.

Was ist der Unterschied zwischen der Grundrente und der Grundsicherung im Alter?

Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist eine staatliche Fürsorgeleistung, die es nur bei Bedürftigkeit gibt. Sie bekommen derzeit nur Ältere, wenn sie weniger als 5.000 Euro Ersparnisse haben und ihr eigenes (Alters-)Einkommen und das ihres Partners (ihrer Partnerin) im gemeinen Haushalt nicht zur Existenzsicherung reicht. Die Grundsicherung liegt derzeit bei monatlich 424 Euro plus Wohn- und Heizkosten für angemessenen Wohnraum.

Die Grundrente dagegen ist eine Leistung der Rentenversicherung, die sich nicht an der Bedürftigkeit orientiert, sondern an der Lebensleistung eines Menschen. Wie hoch sie ausfällt, hängt von den individuellen Beiträgen ab. Der maximale Zuschlag gegenüber den bisher erworbenen Rentenansprüchen liegt bei 448 Euro pro Monat.

Kann die Einführung der Grundrente allein sicherstellen, dass Rentnerinnen und Rentner nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sind?

Für die meisten Rentnerinnen und Rentner würde die Grundrente reichen, um nicht in die Grundsicherung im Alter zu fallen. Wenn aber die Wohnung überdurchschnittlich teuer ist – zum Beispiel in Großstädten wie Hamburg oder München – oder wenn jemand wegen einer Behinderung höhere Kosten hat, kann es sein, dass die Grundrente nicht alles abdeckt.

Deswegen sehen die Vorschläge des Bundesarbeitsministers zusätzliche Maßnahmen vor. Diese betreffen u.a. das Wohngeld.

Wann gibt es denn einen Gesetzentwurf zur Grundrente?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat für Mai 2019 einen solchen Entwurf angekündigt.

Und wann könnte die Grundrente voraussichtlich kommen?

Wenn sich die Koalition einigt, dann könnte die neue Regelung am 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Wie kann ich meinen möglichen individuellen Anspruch auf eine Grundrente ausrechnen?

Der DGB hat einen „Grundrenten-Rechner“ konzipiert. Dort kann jeder ermitteln, wie hoch sein möglicher Anspruch auf die Grundrente ist. Dazu muss eingegeben werden, wie hoch das beitragspflichtige Bruttoentgelt ist, ob in Ost- oder Westdeutschland gearbeitet und wie viele Jahre diese Arbeit ausgeübt wird. Kindererziehungs- oder Pflegejahre werden bei dem Rechner allerdings nicht berücksichtigt.

Wie viele Menschen werden von der Grundrente profitieren?

Das hängt von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes ab. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales rechnet derzeit damit, dass drei bis vier Millionen Rentnerinnen und Rentner die Grundrente bekommen würden, wenn die Regelung am 1. Januar 2021 in Kraft tritt.

Wer würde von der Grundrente besonders profitieren?

Zu 75 Prozent würden Frauen von der neuen Grundrente profitieren. Der Grund: Sie haben wegen Kindererziehungszeiten oder der Pflege von Angehörigen häufiger als Männer in Teilzeit gearbeitet. Und noch immer werden Frauen schlechter bezahlt, sogar im gleichen Beruf. Deshalb fällt im Alter auch ihre Rente geringer aus. Aber auch Männer in schlecht bezahlten Stellen würden Vorteile von der Grundrente haben.

Soll es auch eine Bedürftigkeitsprüfung geben?

Nein. Anders als der Koalitionsvertrag sieht das Grundrenten-Konzept des Arbeitsministers keine Bedürftigkeitsprüfung vor – genauso wenig wie bei den derzeit schon bestehenden Regelungen zur Rentenaufwertung. Wer die Grundrente – soweit sie denn kommt – beziehen will, muss also seine eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht offenlegen – ebenso wenig diejenigen des im gemeinsamen Haushalt lebenden (Ehe-)Partners.

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Autor

Rolf Winkel