Rente / 04.02.2019

Grundrente: Vorschlag erinnert an Rente nach Mindestentgeltpunkten

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat gerade ein Konzept für eine Grundrente vorgestellt. Es lehnt sich stark an die Rente nach Mindestentgelt an, die heute bereits für Beschäftigungszeiten vor 1992 angewandt wird.

Rentnerin zählt Euro-Geldscheine und Münzen auf einem Tisch mit weißer Tischdecke. Bild: IMAGO / Panthermedia / michimulder

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat jetzt ein Konzept für eine Grundrente für Geringverdiener vorgelegt. Danach soll drei bis vier Millionen Geringverdienern die Rente um maximal 447 Euro monatlich erhöht werden. Eine Bedürftigkeitsprüfung soll es nicht geben, wie Heil in der „Bild am Sonntag“ erläuterte. Bekommen sollen sie all jene, die 35 Jahre mit Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit aufweisen.

Das Konzept erinnert an die Rente nach Mindestentgeltpunkten, die heute bereits für einige Beschäftigungszeiten gilt. Rolf Winkel erklärt, wie die Aufwertung von Zeiten mit niedrigen Beiträgen in die Rentenkasse nach diesem „alten“ Konzept funktioniert.

Gibt es die Rente nach Mindestentgeltpunkten noch?

Ja. Das Konzept gehört keineswegs in die Vergangenheit. Es wirkt noch immer und sorgt auch heute noch dafür, dass viele niedrige Renten höher ausfallen. Nur: Aufgewertet werden eben nur noch Versicherungszeiten bis Ende Dezember 1991.

Das regelt § 262 des Sechsten Sozialgesetzbuchs (SGB VI), in dem es um die Rente geht. Der Paragraf trägt die Überschrift „Mindestengeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt“ und nennt genau die Voraussetzungen, unter denen Zeiten mit niedrigem Entgelt für die Rente höher bewertet werden.

Wer vor 1992 zu den Niedrigverdienern gehörte, kann heute noch von dieser Regelung profitieren. Es handelt sich also keineswegs um ein Konzept aus der Mottenkiste.

Wie werden denn danach niedrige Renten aufgewertet?

Die Regelung bezieht sich nicht auf die Gesamtrente. Es geht vielmehr um einzelne Beschäftigungsjahre und um die Entgeltpunkte, die in diesen Jahren erworben wurden. Zur Erläuterung: Einen Entgeltpunkt (EP) erwirbt man, wenn man in einem Kalenderjahr genauso viel verdient wie der Durchschnitt aller Versicherten und entsprechende Beiträge in die Rentenkasse abgeführt hat. Verdient man nur halb so viel, so gibt es auch nur einen halben Entgeltpunkt.

Die Aufwertung funktioniert dabei so, dass unterdurchschnittliche Einkommen um die Hälfte (50 Prozent) hoch gewertet werden. Wer in einem Jahr zum Beispiel nur 0,4 Entgeltpunkte erworben hat, kann 0,2 Entgeltpunkte zusätzlich gutgeschrieben bekommen. Es gibt aber eine Obergrenze. Diese liegt bei 75 Prozent des Durchschnittsentgelts bzw. 0,75 Entgeltpunkte. Höher geht es also nach der Rente nach Mindestentgeltpunkten nicht.

Ein Beispiel:

Eine Arbeitnehmerin aus Hamburg war im Jahr 1977 versicherungspflichtig beschäftigt und hat in ihrer Teilzeitbeschäftigung monatlich 1.000 DM verdient. Das durchschnittliche Jahresarbeitsentgelt aller Rentenversicherten betrug damals 24.945 DM. Rechnet man das auf den Monat um, so kommt man auf ein monatliches Bruttoentgelt von 2.078,75 DM. 75 Prozent davon sind 1.559,06 DM. Das war im Kalenderjahr 1977 die Obergrenze für die Aufwertung. Zugleich ist die Aufwertung aber auf maximal 50 Prozent der eigenen Einkünfte begrenzt.

Für die Beispielarbeitnehmerin bedeutet dies, dass ihr tatsächliches Arbeitsentgelt von 1.000 DM auf genau 1.500 DM hochgewertet werden kann. In Entgeltpunkte umgerechnet heißt das: Rentenbeiträge auf Grundlage von 1.000 Euro brutto würden ihr 0,48 Entgeltpunkte bringen. Und für 500 Euro hochgewertetem Verdienst gibt es zusätzlich 0,24 Entgeltpunkte. Insgesamt können ihr so für das Jahr 1977 genau 0,72 Entgeltpunkte gutgeschrieben werden. Damit würde – übertragen in den aktuellen Rentenwert, der Anfang 2019 für die alten Bundesländer gilt – ihre Monatsrente immerhin um 7,69 Euro erhöht.


Können und konnten denn alle Niedrigverdienende davon profitieren?

Nein. Profitieren kann nur, wer sozusagen zu den treuen Kunden der Rentenversicherung gehört. Nur für diejenigen, die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten nachweisen können, kommt eine Aufwertung von Beitragszeiten mit niedrigem Entgelt in Frage.

Diese Bedingung ist allerdings noch relativ leicht zu erfüllen. Denn hier zählen nicht nur Pflichtbeitragszeiten, sondern auch Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten und zehn Jahre Berücksichtigungszeit pro Kind. Das bedeutet: Gerade Mütter, die längere Zeit teilzeitbeschäftigt waren, sind Nutznießerinnen dieser Regelung.

Profitiert von der Regelung auch, wer nach Jahren mit niedrigem Verdienst wieder zu den Gutverdienern gehörte?

Auch das nicht. Denn es kommt nicht nur auf das niedrige Einkommen in den einzelnen Jahren an. Vielmehr wird auch das gesamte Arbeitsleben in den Blick genommen. Nimmt man alle Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen bis zum Renteneintritt zusammen, muss der Durchschnittswert nämlich unter 0,0625 EP liegen.

Zur Erläuterung: Dieser Wert ergibt sich, wenn man den Jahreswert von 0,75 EP durch 12 Monate teilt. Auch hierzu ein Beispiel: Wer 40 Jahre beitragspflichtig beschäftigt war und in dieser Zeit auf 29,5 EP kommt, erfüllt diese Voraussetzung so gerade noch. Die 29,5 EP werden dann nämlich durch 480 Kalendermonate geteilt. Das ergibt einen Schnitt von 0,0614 Entgeltpunkten, was noch knapp unterhalb der Grenze des Erlaubten liegt.

Spielt auch die persönliche Bedürftigkeit bei diesem Konzept eine Rolle?

Nein. Das Konzept funktioniert einfach nach den Versicherungsregeln der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Sozialämter haben hiermit nichts zu tun. Niemand muss dabei nachweisen, wie seine finanzielle Situation im Alter ist. Wer die versicherungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt, dessen Rente wird aufgewertet.

Ganz ähnlich funktioniert übrigens bis heute die Aufwertung von Zeiten mit niedrigem Arbeitsentgelt in der Kinderberücksichtigungszeit. Hiervon profitieren vor allem Mütter, die in den ersten zehn Lebensjahren eines Kindes teilzeitbeschäftigt waren. Zeiten mit niedrigem Arbeitsentgelt können bei ihnen ebenfalls um 50 Prozent aufgewertet werden, maximal aber bis zu einem Entgeltpunkt.

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Autor

Rolf Winkel