Altersvorsorge / 27.02.2023

Lebensversicherung: Was ist meine Police wert?

Wer seine Lebensversicherung vorzeitig kündigt, erhält den Rückkaufswert ausgezahlt. Doch was ist der Rückkaufswert und wie kommt er zustande?

Lebensversicherung (Bild: IMAGO / imagebroker)

Inhalt

Rückkaufswert – was ist das?

Die Rückkaufswert einer Lebensversicherung umfasst im Wesentlichen die selbst eingezahlten Beiträge. Hinzu kommen über die Jahre angesammelte Zinsen und Überschüsse.

Abgezogen werden dagegen Abschluss- und laufende Kosten des Vertrags. Eventuell fallen auch Kündigungskosten an.

Die genaue Berechnung des Rückkaufswerts übernimmt der Versicherer.

Seit Juli 2018 müssen Versicherer ihren Kunden zudem den jeweiligen Rückkaufswert in der jährlichen Standmitteilung angeben. Sie können den Wert Ihrer Versicherung allerdings auch formlos und aktuell beim Versicherer erfragen.

Wie wird der Rückkaufswert einer Lebensversicherung berechnet?

Für die Berechnung des Rückkaufswertes ist es wichtig, ob ein Vertrag vor oder ab dem 1. Januar 2008 abgeschlossen wurde. Denn zu diesem Stichtag hat sich die Berechnungsgrundlage wesentlich verändert.

Für Verträge vor 2008 haben niedrige Rückkaufswerte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten geführt, so dass letztlich der Bundesgerichtshof ein Machtwort sprechen musste. Für Verträge ab 2008 wurde die Berechnung im Versicherungsvertragsgesetz klarer geregelt (§ 169 VVG).

Warum ist der Rückkaufswert oft so niedrig?

In den ersten Jahren nach Vertragsabschluss liegt der Rückkaufswert üblicherweise im Minus. Das heißt, Sie bekommen bei einer Kündigung weniger ausbezahlt als Sie eingezahlt haben. Der Grund: Ein Großteil der eingezahlten Beiträge fließt anfangs in die Abschlusskosten und Maklerprovisionen des Vertrags.

Wie schnell sich der Rückkaufswert ins Positive dreht, hängt vor allem von drei Faktoren ab:

  • der Höhe des Garantiezinses
  • den Abschluss- und laufenden Kosten des Vertrags und
  • wie schnell es dem Versicherer gelingt Überschüsse zu erwirtschaften.

Der Garantiezins ist in der Praxis meist der wichtigste Faktor. Grob gesagt:Je niedriger der Garantiezins, desto länger wird der Rückkaufswert im Minus liegen – für Verträge mit sehr niedrigem Zins vermutlich den Großteil der Laufzeit.

Abschlusskosten drücken den Rückkaufwert

Wesentlichen Einfluss auf die Berechnung des Rückkaufswerts nimmt die so genannte Zillmerung – benannt nach dem einstigen Versicherungsmathematiker August Zillmer. Diese Rechenmethode verteilt die zu Beginn fällig werdenden Abschlusskosten einer Lebensversicherung, die Sie als Versicherter komplett tragen, auf die Laufzeit. Die Kosten werden „gezillmert“. So werden sie für Kunden nicht allzu offensichtlich.

Um übermäßigen Provisionen entgegenzuwirken, wurden die Zillmerung gesetzlich begrenzt. Laut aktueller Deckungsrückstellungsverordnung darf der vom Versicherer berechnete Zillmersatz höchstens 2,5 Prozent der gesamten Versicherungsbeiträge während der Laufzeit betragen.

Beispiel: Werden in einen 35 Jahre laufenden Vertrag monatlich 100 Euro eingezahlt, kommt eine Versicherungssumme von 42.000 Euro zusammen. Es dürfen somit 1050 Euro (2,5 Prozent von 42.000 Euro) an Abschlussprovisionen verteilt werden. Dadurch erhöht sich der Monatsbetrag um 2,50 Euro auf 102,50 Euro.

Vor allem ältere Verträge sind allerdings oft noch mit höheren Zillmersätzen belastet.

Rückkaufswert für Lebensversicherungen ab 2008

Der Rückkaufswert für ab 2008 geschlossene Verträge muss dem sogenannten Deckungskapital entsprechen. Darunter versteht man das angesammelte Kapital, aus dem später die Rente finanziert würde.

Das Deckungskapital umfasst sämtliche eingezahlten Beiträge

  • zuzüglich aller bis dahin angefallenen Zinsen und Überschüsse
  • abzüglich aller angefallenen Kosten (Abschluss- und laufende Kosten).

Zu den Beiträgen zählen allerdings nur die für die spätere Rente vorgesehenen Beitragsanteile, nicht solche, die sich auf einen eventuell enthaltenen Risikoschutz beziehen.

Zudem darf der Versicherer bei vorzeitiger Kündigung Stornokosten abziehen. Diese müssen vorab im Vertrag klar geregelt und „angemessen“ sein. (§ 169 Abs. 5 VVG)

Abschlusskosten müssen über fünf Jahre verteilt werden

Wer seine Lebensversicherung bereits nach kurzer Zeit wieder kündigt, soll durch hohe Abschlusskosten nicht übermäßig benachteiligt werden. Daher regelt das Gesetz auch, dass die Abschlusskosten über mindestens fünf Jahre gleichmäßig verteilt (gezillmert) werden müssen. Im obigen Beispiel wären also bei einer Kündigung ein Jahr nach Abschluss nur 210 Euro (1050 Euro geteilt durch 5) Abschlusskosten anzusetzen.

Rückkaufswert für Lebensversicherungen bis 2007

Für Lebensversicherungen, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden, hat der Bundesgerichtshof aufgrund von Rechtsstreitigkeiten mehrere Grundsatzurteile gefällt und damit die Berechnung des Rückkaufswerts festgelegt. Ein erstes Urteil erging 2005 für Verträge bis 2001 (BGH, 12.10.2005, Az. IV ZR 162/03), ein weiteres, ähnlich lautendes 2013 für Verträge bis 2007 (BGH, 11.9.2013, Az. IV ZR 17/13)

Demnach muss der Mindestrückkaufswert für zwischen 1994 und 2007 abgeschlossene Lebensversicherungen 50 Prozent des „ungezillmerten Deckungskapitals“ betragen. Darunter zu verstehen sind die verzinsten Beiträge abzüglich der laufenden Verwaltungskosten, aber ohne Abzug der Abschlusskosten – welche ja anfänglich die Rendite ins Minus drücken.

Das ungezillmerte Deckungskapital ist über die gesamte Laufzeit stets höher als das gezillmerte. Eine Stornogebühr darf der Versicherer hier ebenfalls nicht verlangen.

Rückkaufswert bei Fondspolicen

Auch für Fondspolicen hat der Bundesgerichtshof die Berechnung eines Mindestrückkaufswerts festgesetzt (BGH v. 26.09.2007, Az. IV ZR 321/05). Bei fondsgebundenen sei analog zu nicht fondsgebundenen Policen zu verfahren, so der Tenor.

Für zwischen 1994 und 2007 abgeschlossene Verträge muss der Rückkaufswert demnach mindestens der Hälfte des „ungezillmerten Fondsguthabens“ entsprechen – sprich, inklusive erzielter Zinsen und Überschüsse und abzüglich laufender Kosten, jedoch ohne Abschlussgebühr und ohne Stornokosten.

Für ab 2008 geschlossene Verträge ist das Ganze wiederum im Versicherungsvertragsgesetz geregelt (§ 169 Abs. 4 VVG)  Demnach muss die Höhe des Rückkaufswerts dem „Zeitwert der Versicherung“ entsprechen. Es zählt also der aktuelle Wert der Fondsanteile. Da dieser je nach Börsenentwicklung stark schwanken kann, lässt er sich über die Laufzeit kaum abschätzen. Sie sollten es also vermeiden, in einer Schwächephase des Aktienmarkts zu kündigen.

Auch für Fondspolicen müssen bei Abschluss ab 2008 die Abschlusskosten auf mindestens die ersten fünf Jahre verteilt werden.

Wie wird der Rückkaufswert versteuert?

Entscheidend ist, wann die Versicherung abgeschlossen wurde. Grundsätzlich gilt:

Werden Kapitallebensversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, in einer Summe ausbezahlt, ist der Ertrag hieraus steuerfrei. Voraussetzung: Der Vertrag lief mindestens zwölf Jahre, es wurden mindestens fünf Jahre lang Beiträge eingezahlt und der erste Beitrag ist spätestens zum 31.5.2005 geflossen.

Bei ab 2005 geschlossenen Verträgen dagegen ist der Ertrag zu versteuern.

Entsprechend verhält es sich bei Kündigung oder Verkauf: Vor 2005 kann der Rückkaufswert steuerfrei einbehalten werden, ab 2005 fällt auf den Ertrag die Abgeltungssteuer von 25 Prozent an, plus Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer).

Der Ertrag entspricht dem Rückkaufswert abzüglich der geleisteten Beiträge. Steuer fällt somit nur an, wenn die gekündigte Versicherung einen Gewinn abgeworfen hat.

Zudem lässt sich die Steuer senken: Erfüllt der Vertrag die so genannte 12/60- oder 12/62-Regel, bleibt der Ertrag zur Hälfte steuerfrei (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EkStG). Voraussetzung dafür: Der Rückkaufswert wird frühestens nach zwölf Jahren und nach dem 60. Lebensjahr des Versicherten ausbezahlt, bei Abschluss ab 2012 nach dem 62. Lebensjahr.

Lebensversicherung kündigen: Alternativen beachten

Von einer Lebensversicherung sollte man sich nicht allzu leichtfertig trennen. Soll es aber dennoch sein, dann ist eine Kündigung nicht die einzige Lösung. Es gibt Alternativen.

Lebensversicherung verkaufen

Wer seine Lebensversicherung kündigen möchte, sollte auch über einen Verkauf als Alternative nachdenken. Mehrere private Unternehmen haben sich auf den Ankauf von Lebensversicherungen spezialisiert. Sie bieten meist etwas mehr als den Rückkaufswert, im Schnitt zwischen einem und fünf Prozent, für sehr gute Verträge auch etwas mehr. Weitere Alternativen zur Kündigung können die Beleihung oder Freistellung sein – im Einzelfall auch ein Widerspruch.

Anspruch auf Rückabwicklung der Lebensversicherung

Ältere Verträge weisen teilweise formale Fehler in der gesetzlich geforderten Widerrufsbelehrung auf. Daraus lässt sich möglicherweise ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags ableiten. Sie können dann Ihre gezahlten Beiträge verzinst zurückerhalten. Allerdings müssen Sie dazu in der Regel vor Gericht gegen den Versicherer vorgehen. Lassen Sie sich dazu am besten vorher ausführlich beraten, zum Beispiel bei einer Verbraucherzentrale oder einem unabhängigem Versicherungsberater.

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Autor

Jürgen Baltes