Altersvorsorge / 05.09.2014

Leitzinssenkung: Sparer müssen mutiger sein

Die Leitzinssenkung der EZB trifft vor allem die Sparer. Dr. Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärt, warum Sparer mutiger sein müssen und was man für die Altersvorsorge tun kann.

Mann hält ein rosa Sparschwein an steigende Münzstapel. Bild: IMAGO / Panthermedia / Andrey Popov

Frau Oelmann, welche Auswirkungen hat die Senkung des Leitzinses auf die Sparer?

Annabel Oelmann: Den Sparer dürften die Tränen kommen. Wir hatten ja schon eine lange Niedrigzinsphase, aber 0,05 Prozent, das ist faktisch nichts. Die Banken dürften recht schnell nachziehen und die Zinsen für Tagesgeldkonten und Sparbücher senken. Das gleiche dürfte auch für Sparverträge mit variablem Zinssatz gelten. Aber viele Sparer haben ihre Geld heute schon auf Sparbüchern liegen, für die es nur noch 0,1 Prozent gibt. Und damit verlieren sie faktisch sogar heute schon Geld. In Zukunft wird das noch schlechter aussehen.

Wieso verlieren manche Sparer dadurch jetzt sogar Geld?

Annabel Oelmann: Durch den Kaufkraftverlust haben 10.000 Euro, die ich heute zur Seite lege, in zehn Jahren nicht mehr den gleichen Wert. Deshalb ist es wichtig, eine Verzinsung zu erreichen, die den Kaufkraftverlust – die Inflation – ausgleicht. Die Inflation liegt derzeit bei rund 0,8 Prozent. Wenn man also nur 0,1 Prozent Zinsen bekommt, ist das zu wenig, um die Inflation auszugleichen. Man hat einen realen Wertverlust. Das ist vielen Sparern, die ihr Geld auf einem Tagesgeldkonto oder Sparbuch mit niedrigen Zinsen liegen haben, nicht bewusst. Wenn man heute 1,0 Prozent Zinsen bekommt, ist das keine riesige Rendite, aber immerhin liegt sie über der aktuellen Inflationsrate.

Was raten Sie Sparern?

Annabel Oelmann: Es gibt noch Institute, die beim Zinssatz für das Tagesgeldkonto eine eins vor dem Komma anbieten. Sparer sollten genau vergleichen und gegebenenfalls zu einem Geldinstitut wechseln, das über einen längeren Zeitraum Zinsen im oberen Drittel geboten hat. Das heißt aber nicht, dass man Zins-Hopping betreiben und ständig vom einen zum anderen Anbieter wechseln sollte. Das ist viel zu aufwendig. Außerdem sollte man bei einer neuen Bank immer prüfen, welches Einlagensicherungssystem im Ernstfall greift.

Klar ist aber auch: Sicherheitsorientierte Sparer haben ein Problem. 100 Prozent Sicherheit bedeutet heute einen realen Verlust. Sparer, die ihre Chance auf Rendite steigern wollen, müssen zwangsweise ein bisschen risikofreudiger werden.

Sie sprechen von Aktien? Das ist für viele Sparer, die auf Nummer sicher gehen wollen, ja ein rotes Tuch...

Annabel Oelmann: Ich meine Aktionsfonds. Weltweite Aktienfonds. Einzelaktien sind unter Umständen größeren Schwankungen unterworfen, und der Streuungsaspekt ist bei weltweiten Fonds besser, die nicht nur vom Dax abhängig sind. Und wir als Verbraucherzentrale empfehlen passiv gemanagte Indexfonds. Im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds fallen hier in der Regel kein Ausgabeaufschlag und weniger Verwaltungskosten an, daher bleibt bei gleicher Bruttorendite für den Anleger mehr übrig.

Was müssen Verbraucher beachten, für die das Neuland ist?

Annabel Oelmann: Die Stiftung Warentest gibt in jeder Ausgabe der Zeitschrift Finanztest immer einen guten Überblick über empfehlenswerte Fonds. Und wer ein überschaubares Risiko eingehen will, der fängt mit einem kleinen Anteil an. Wer monatlich 200 Euro spart, kann erstmal 25 Euro davon in einen Indexfonds, einen so genannten ETF investieren (Anm. d. Red.: Exchange Traded Funds, an der Börse gehandelte Fonds). Und dann ist wichtig, nicht täglich nachzuschauen, wie sich der Wert entwickelt, denn Fonds sind langfristige Anlagen, das lohnt sich bei einer Anlagedauer von mindestens fünf bis zehn Jahren.

Das heißt, ETFs sind nicht etwas für Leute, die fürs nächste Auto sparen, sondern für die Altersvorsorge?

Annabel Oelmann: Richtig. Fonds lohnen sich für jüngere Sparer. Wenn jemand kurz vor der Rente steht und nur kurzfristig Geld sparen möchte, sind Aktienfonds weniger geeignet.

Welche Auswirkungen hat die Leitzinssenkung für die Altersvorsorge?

Annabel Oelmann: Fatale. Ein sicheres Sparen ist nicht mehr möglich. Menschen, die jetzt sparen, betreiben keine Altersvorsorge, sondern versuchen, ihr Geld zu erhalten. Das könnte in einigen Jahren die Altersarmut verschärfen.

Da bietet die Riester-Rente doch allein durch die staatliche Zulage doch noch eine gute Rendite, oder?

Annabel Oelmann: Nicht automatisch. Riester kann sich lohnen, wenn man Kinder hat und für sie entsprechende Zulagen bekommt, oder wenn man eine hohe Steuerlast hat und diese über die Beiträge zur Riester-Rente mindern kann. Aber es kommt sehr darauf an, welches Produkt man abschließt. Die Abschlusskosten sind vor allem für eine Rentenversicherung mitunter hoch. Die Förderung darf aber nicht der einzige Grund für den Abschluss sein, wichtig ist, dass das Produkt passt. Förderung gibt es übrigens auch für andere Produkte, auch das kann sich grundsätzlich (vermögenswirksame Leistungen) oder im Einzelfall (betriebliche Altersvorsorge) lohnen.

Die Versicherer kritisieren die erneute Leitzinssenkung. Der Garantiezins für Neuverträge wird ja zum 1. Januar 2015 schon von derzeit 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt. Ist eine weitere Senkung denkbar?

Annabel Oelmann: Das ist nicht undenkbar. Die Diskrepanz zwischen vertraglich zugesicherten Garantiezinsen und den Renditen, die die Versicherer selbst verdienen, wird nochmal größer. Die Versicherungsbranche dürfte ihre Lobby-Arbeit also nochmal verstärken. Wir raten aber ohnehin von Neuabschlüssen von Lebensversicherungen ab.

Warum?

Annabel Oelmann: Es ist für Anleger besser, Sparen und Absicherung zu entkoppeln. Denn die Renditen dieser Policen sind meist mäßig, man bindet sich auf Jahre oder Jahrzehnte und im Notfall kommt man gerade in den ersten Jahren nur mit herben Einbußen vorzeitig an sein Geld. Mit der Senkung des Garantiezinses wird die kapitalbildende Lebensversicherung noch unattraktiver.

Für den Eigenheim-Kauf sind die niedrigen Zinsen jetzt aber ideal, oder?

Annabel Oelmann: Ja, des Sparers Leid ist des Kreditnehmers Freud. Aber die Niedrigzinsphase birgt auch Risiken. Die niedrigen Zinsen verführen dazu, sich stärker zu verschulden als man es sich leisten kann.

Was ist zu beachten?

Annabel Oelmann: Man sollte 20, besser 30 Prozent Eigenkapital haben. Die Tilgungsrate sollte hoch angesetzt werden, bei zwei bis drei Prozent. Und man sollte versuchen, die Zinsen langfristig zu binden, über 15 bis 20 Jahre.

Mehr zum Thema:

  • www.test.de
    Tests zur Geldanlage im Zinstief bei der Stiftung Warentest
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Autor

Katja Mathes