Altersvorsorge / 19.04.2021

Lohnen sich Immobilien noch als Altersvorsorge?

Baugeld ist billig wie nie, doch die Preise für Häuser und Wohnungen schießen in die Höhe. Experten warnen vor einer Blase. Lohnt „Betongold“ noch?

Lohnen sich Immobilien noch als Altersvorsorge? – Hausmodell auf einer Bauzeichnung mit Holzwürfeln mit der Aufschrift Bauzinsen.

Als „Betongold“ werden Immobilien seit jeher geschätzt. Sie sind ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge. Denn sie stehen für Sicherheit und Wertstabilität, für mietfreies Wohnen im Alter oder alternativ dazu für kontinuierliche Mieteinnahmen, welche die Rente aufbessern.

Doch seit einigen Jahren steigen die Immobilienpreise kräftig. Im Corona-Jahr 2020 hat der Immobilienpreisindex des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP), der die Verkäufe von 700 Banken auswertet, einen Rekordanstieg der Wohnimmobilienpreise um 7,5 Prozent ergeben. Es mehren sich Expertenstimmen, die vor einer Immobilienblase warnen.

Eine im März 2021 veröffentlichte Prognose der Deutschen Bank etwa sagt für 2024 eine Delle am Immobilienmarkt voraus. Als Gründe werden unter anderem eine verringerte Zuwanderung während der Corona-Zeit und der derzeitige Boom bei Neubauten genannt, die für Entspannung sorgen. Allerdings sagt die Studie auch: Nach einer Preiskorrektur – vielleicht um die fünf Prozent – wird es mit den Preisen langfristig weiter bergauf gehen, und zwar ähnlich wie bisher um rund 2,5 Prozent im Jahr im langfristigen Schnitt.

Wer sich jetzt mit dem Thema Immobilien zur Altersvorsorge beschäftigt, steht vor vielen Fragen: Soll ich die historisch niedrigen Zinsen nutzen – denn die Zinshöhe macht einen entscheidenden Unterschied bei der Finanzierung. Oder wird Baugeld auch in fünf Jahren noch so billig sein? Sind Objekte durch die hohe Nachfrage überteuert – und werden bei einer Nachfragedelle rasch an Wert verlieren? Sollte ich also lieber warten? Oder Kompromisse machen und auf günstigere Angebote ausweichen, etwa weiter auf dem Land oder in schlechteren Lagen?

Trotz Blase: Experte rät grundsätzlich zum Immobilienkauf

Für Reiner Braun, Volkswirt und Chef des Berliner Forschungsinstituts Empirica, lassen sich diese Fragen nur individuell beantworten. Ja, es gebe eine Blase, sagt Braun. Als Indikator erhebt das Institut regelmäßig den Empirica Blasenindex. Seit elf Jahren wachsen demnach die Kaufpreise schneller als die Einkommen, seit zehn Jahren schneller als die Mieten. Und seit 2012 wachsen die neuen Baukredite schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Bei der jüngsten Untersuchung Ende 2020 sind in 324 von 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten die Immobilienpreise den Einkommen „enteilt“, vor drei Jahren waren es erst 235 – für Braun ein klares Gefahrensignal.

Dennoch rät der Experte – im Prinzip – nach wie vor zum Immobilienkauf – und zwar vor allem mit Blick auf den Vermögensaufbau zur Altersvorsorge. Seinen Berechnungen zufolge haben Immobilienbesitzer beim Renteneintritt im Schnitt ein Vermögen von mindestens fünf bis sechs Jahresnettogehältern aufgebaut, Mieter dagegen kommen im Schnitt auf nur gut ein Jahresgehalt.

Wobei Braun „sehr deutlich“ zwischen Selbstnutzern und Kapitalanlegern unterscheidet: „Erstere brauchen Geld zur Finanzierung, letztere haben Geld, das sie gewinnbringend anlegen möchten.“ Selbstnutzern rät der Experte „eigentlich immer“ zum Kauf – sofern sie ein passendes Objekt gefunden haben. Denn hier gehe es um aktuelle Bedürfnisse und Lebensqualität, etwa ein Zuhause für die Familie. Die Altersvorsorge wird in diesem Fall „quasi nebenbei“ aufgebaut.

Allerdings macht Braun Einschränkungen: Das Objekt muss stimmen. „Im Moment finden sich viele Schrottimmobilien am Markt, die man vor zehn Jahren nicht losgeworden wäre – und irgendwann vielleicht auch nur mit Verlust wieder los wird.“ Und die Finanzierung darf „nicht auf Kante genäht“ sein. Sie muss so gestaltet sein, dass eventuelle Verdienstausfälle, ob durch Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung, im schlimmsten Fall auch eine Trennung, finanziell verkraftbar sind.

Fehlkauf vermeiden – wer berät mich beim Hauskauf?

Wer sich die Zustandsbewertung einer Immobilie nicht zutraut, sollte sich im Zweifel Rat holen. Gutachter bieten hier ihre Hilfe an, etwa Prüforganisationen wie TÜV und Dekra, freie Sachverständige, Architekten oder auch Immobilienmakler. Sie begehen das Objekt, führen verschiedene Messungen durch und erstellen ein Kurzgutachten, das in der Regel einige Hundert Euro kostet. Daneben gibt es gerichtsfeste „Vollgutachten“, für die 0,5 bis 1 Prozent des Kaufpreises zu veranschlagen sind.

Es gibt aber auch günstige Hilfe: Die Verbraucherzentralen etwa bieten den 240-seitigen Ratgeber „Kauf eines gebrauchten Hauses“ an (24,90 Euro).

Auch rechtliche Fallstricke können lauern, etwa Einträge im Grundbuch wie Hypotheken oder Wegerechte. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, etwa dass der mitgekaufte Stellplatz am Ende doch nicht dazu gehört, ist das Studieren eines aktuellen Grundbuchauszugs vor Kauf Pflicht.


Bis zum Renteneintritt muss die Immobilie abbezahlt sein

Roland Stecher, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, sieht dies ähnlich. Auch für ihn bleiben Immobilien ungeachtet des aktuellen Booms ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge. Allerdings gilt für ihn ein eherner Grundsatz: „Bis zum Renteneintritt muss die Immobilie abbezahlt sein.“ Denn dann sinkt in der Regel das Einkommen, was die Tilgung erschwert, so die Erfahrung der Verbraucherschützer.

Stecher macht eine einfache Rechnung auf: Bei einem Kreditzins von einem Prozent und einer Anfangstilgung von ebenfalls einem Prozent ist ein Kredit erst nach 69 Jahren abbezahlt. Bei drei Prozent Tilgung dagegen sind es nur 28 Jahre. Er empfiehlt daher eine möglichst hohe Tilgung von mindestens 3, besser 4 oder 5 Prozent. Dazu angesichts der niedrigen Zinsen eine langfristige Zinsbindung von 15 oder mehr Jahren. Und Flexibilität: Die Möglichkeit von Sondertilgungen oder Änderungen der Tilgungshöhe sollte vereinbart werden.

Nicht zu vergessen die Kaufnebenkosten wie Grundsteuer, Notar, Makler, die schnell mal zehn Prozent des Kaufpreises ausmachen. Die sollte man für eine solide Finanzierung selbst aufbringen können, rät Experte Braun, ebenso wie 20 Prozent Eigenkapital. Über einen Kreditrechner, etwa der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, lässt sich der maximale Kaufpreis errechnen, der unter den individuellen Umständen möglich ist.

Immobilien für Kapitalanleger

Beim klassischen Kapitalanleger hingegen geht es nicht um Lebensqualität. Er möchte vorhandenes Vermögen oder Teile des Einkommens renditeträchtig investieren und sollte daher auch Renditekriterien anlegen. Ein typisches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von Immobilien – dieses gibt in Anlehnung an das KGV von Unternehmen an, wie viele Jahresnettomieten im Kaufpreis einer Immobilie stecken – liegt laut Braun bei 25. Das entspricht einer Jahresbruttorendite von vier Prozent.

Doch in vielen „Schwarmstädten“, also solchen mit hoher Anziehungskraft wie München, Berlin oder Hamburg, liege das durchschnittliche KGV mittlerweile zwischen 30 und 40. Letzteres entspricht einer Rendite von nur noch 2,5 Prozent. Kosten für Verwaltung und Instandhaltung abgezogen bleibe da – abgesehen von der Wertsteigerung – oft nicht mehr viel übrig, sagt Braun. Einer Studie des DIW von 2014 zufolge kam fast jeder vierte private Immobilienanleger auf eine Rendite von Null. Gut acht Prozent machten sogar Verlust.

Fazit: Immobilien bleiben attraktiv

Immobilien bleiben also trotz eines aktuell vermutlich überhitzten Marktes ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge. Denn Experten sehen ihre langfristigen Perspektiven positiv. Selbst wenn die Bevölkerung nach 2030 wieder schrumpfen sollte, werde die Wohnungsnachfrage nicht nachgeben, so eine Prognose der Uni Freiburg für Schwäbisch-Hall, da die Zahl der kleineren und der Single-Haushalte zunehme.

Ein wichtiger Punkt ist allerdings der richtige Mix. „Immobilien sollten niemals die einzige Form der Altersvorsorge sein“, warnt Verbraucherschutz-Experte Stecher.

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Autor

Jürgen Baltes