Rente / 21.09.2020

Rente für Selbstständige: Versicherungspflicht lohnt sich

Wer selbstständig ist, kann einen Antrag auf Versicherungspflicht stellen. Was zunächst nicht verlockend klingt, hat eine ganze Reihe von Vorteilen.

Junger Mann im Homeoffice sitzt in kariertem Hemd am Schreibtisch und schaut nachdenklich auf einen Computer-Bildschirm, der schräg vor ihm steht..

Inhalt

Für Selbstständige lohnt sich die gesetzliche Rentenversicherung. Das rechnet die Stiftung Warentest seit Jahren immer wieder vor. Sie haben meist die Auswahl zwischen

  • einer freiwillige Rentenversicherung oder
  • einer Versicherungspflicht auf Antrag (Antragspflichtversicherung) – zumindest in den ersten Jahren ihrer Selbstständigkeit.

Unser Tipp: Die Versicherungspflicht zahlt sich aus.

Freiwillig in die Rentenversicherung einzahlen: Wer darf das?

Die freiwillige Rentenversicherung kommt für alle in Frage, die

  • mindestens 16 Jahre alt sind,
  • nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) pflichtversichert sind und
  • noch keine volle Rente beziehen.

Damit steht die freiwillige Versicherung den meisten Selbstständigen, aber auch Hausfrauen und natürlich Hausmännern, offen.

Keine Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern, haben pflichtversicherte Selbstständige, zum Beispiel Handwerker oder Künstler.

Antragspflichtversicherung: Was ist das?

Die Antragspflichtversicherung in der Rentenversicherung steht ausschließlich Selbstständigen offen.

  • Sie können innerhalb der ersten fünf Jahre nach Aufnahme Ihrer Tätigkeit einen Antrag auf Versicherungspflicht bei der Deutschen Rentenversicherung stellen.
  • Auch wenn Sie schon (fast) fünf Jahre selbstständig sind und bislang keine Beziehung zur gesetzlichen Rentenversicherung hatten, können Sie einen Antrag stellen.
  • Es ist nicht nötig, vorher freiwillig versichert gewesen zu sein.

Geregelt ist die Versicherungspflicht auf Antrag übrigens in § 4, Absatz 2 des sechsten Sozialgesetzbuchs.

Freiwillige Versicherung und Pflichtversicherung: Wo ist der Unterschied?

Bei der freiwilligen Versicherung können Sie weitgehend selbst bestimmen, wie viel und wie lange Sie Rentenbeiträge einzahlen.

Bei einer Pflichtversicherung ist das anders. Die Versicherungspflicht auf Antrag beginnt mit dem Tag nach der Antragstellung. Danach besteht sie unwiderruflich. Sie endet in aller Regel erst, wenn Sie nicht mehr selbstständig sind.

Sie können also nicht einfach per Erklärung aus der Versicherungspflicht aussteigen. Und Sie müssen regelmäßig Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. Allerdings: Wenn es einmal in der Selbstständigkeit schlecht läuft, können Sie die Beiträge senken.

Wie hoch ist der Beitrag in der Pflichtversicherung für Selbstständige?

Als Selbstständiger haben Sie Wahl zwischen einem fixen Regelbeitrag und einem einkommensabhängigen Beitrag.

Regelbeitrag

2020 beträgt die Höhe des Regelbeitrags in den alten Bundesländern monatlich 592,41 Euro, in den neuen Ländern 559,86 Euro.

Die Rentenversicherung legt für die Berechnung den Beitragssatz von 18,6 Prozent zugrunde und wendet ihn auf ein fiktives Monatseinkommen an, der so genannten Bezugsgröße. Im Westen sind das 3.185 Euro, im Osten 3.010 Euro (2020). Die Bezugsgröße wird jährlich angepasst.

In den ersten drei Jahren nach Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit müssen Sie auf Antrag nur den halben Regelbeitrag zahlen. Wer danach gegenüber der Rentenversicherung keine Angaben zu seinem tatsächlichen Einkommen macht, zahlt den vollen Regelbeitrag.

Rentenbeitrag nach Einkommen

Wer weniger verdient, kommt günstiger weg, wenn er sich für den Rentenbeitrag nach Einkommen entscheidet. Dafür müssen Sie anhand des letzten Steuerbescheids ein entsprechend abweichendes Arbeitseinkommen nachweisen. Neue Selbstständige können eine Schätzung vorlegen. Als Arbeitseinkommen gilt der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit nach dem Einkommensteuerrecht.

Beim einkommensabhängigen Rentenbeitrag zahlen Sie mindestens 83,70 Euro und höchstens 1.283,40 Euro im Westen, im Osten höchstens 1.199,70 Euro (2020).

Was sind die Vorteile der Versicherungspflicht?

Die Versicherungspflicht auf Antrag bringt eine Reihe von Vorteile mit sich:

  • einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente,
  • einen Anspruch auf Reha,
  • Anspruch auf eine staatlich geförderte Riester-Rente,
  • die Sicherheit, dass man bei einer Pfändung und beim einem Hartz-4-Bezug weiterhin Beiträge in die Rentenkasse einzahlen kann,
  • gegebenenfalls einen Anspruch auf Grundrente
  • und ein Rentenplus für Versicherte aus den neuen Bundesländern.

Erwerbsminderungsrente für Selbstständige

Wer sich für eine freiwillige gesetzliche Versicherung entscheidet, hat in aller Regel keinen Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Selbständige, die pflichtversichert sind, genießen demgegenüber den gesetzlichen Erwerbsminderungsschutz. Der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht für Pflichtversicherte generell – und ohne einen Beitragsaufschlag.

Voraussetzung: In den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung können drei Versicherungsjahre nachgewiesen werden.

Die Versicherungspflicht ist damit für diejenigen Selbstständigen besonders interessant, für die eine private Berufsunfähigkeitsrente zu teuer ist oder gar nicht in Frage kommt, etwa wegen gesundheitlicher Probleme oder einer gefährlichen Tätigkeit.

Reha für Selbstständige

Pflichtversicherte haben Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation, also zum Beispiel auf eine Anschlussheilbehandlung (AHB), etwa nach Operationen, und auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn sie ihre bisherige Tätigkeit nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten ausüben können.

Riester-Rente für Selbstständige

Auch als Selbstständiger können Sie von der staatlichen Riester-Förderung profitieren, zum Beispiel über einen „unmittelbar förderberechtigten“ Ehepartner. Selbst unmittelbar förderberechtigt sind Sie aber nur, wenn Sie sich pflichtversichern.

Gerade für Selbstständige mit besonders hohen steuerpflichtigen Einkünften kann der Anspruch auf die Riester-Förderung interessant sein. Sie können hierbei jährlich bis zu 2.100 Euro an Sparleistungen voll von der Steuer absetzen.

Tipp: Riester-Rechner

Nutzen Sie den Riester-Rechner von ihre-vorsorge.de und berechnen Sie die Höhe Ihrer Riester-Zulagen und den Anlagebetrag für die maximale Förderung.


Pflichtbeiträge sind pfändungssicher

Wenn eine Pfändung ins Haus steht, ist oft auch die Altersvorsorge gefährdet. Wer freiwillige gesetzliche Beiträge zahlt, für den sind immerhin die bislang erworbenen Rentenansprüche gesichert. Unter Umständen sind auch private Rentenversicherungen und Kapitallebensversicherungen pfändungssicher, wenn man entsprechende Vorkehrungen trifft.

Mindestens genauso wichtig ist jedoch der Schutz der Beiträge vor Pfändung. Selbstständige, die sich für eine Pflichtversicherung entscheiden, können ihre Beiträge oft weiterzahlen.

Denn: Pflichtbeiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen dürfen nicht bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens mitgerechnet werden. Das bestimmt § 850e der Zivilprozessordnung.

Auf freiwillige Beiträge trifft das nicht zu.

Praktisch heißt das: Für pflichtversicherte Selbstständige erhöht sich der pfändungsfreie Betrag um den monatlichen Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung.

Beispiel: Wenn nach der Pfändungstabelle standardmäßig 1.200 Euro vom Einkommen unpfändbar sind und gleichzeitig 350 Euro monatlich als Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gehen, dann gelten 1.550 Euro als unpfändbar.

Allerdings müssen Sie einen Antrag auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrags stellen.

Hartz 4: Vorteile für Pflichtversicherte

70.000 Selbstständige – vor allem Solo-Selbstständige – bezogen im Januar 2020 so genanntes „aufstockendes Arbeitslosengeld II“. Die (zu) niedrigen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit wurden in diesen Fällen also durch Hartz-4-Leistungen aufgestockt.

Gesetzliche Pflichtbeiträge können sie dann weiterzahlen. Denn diese können voll vom anrechenbaren Einkommen abgesetzt werden. Praktisch finanziert so das Jobcenter den Aufbau der Alterssicherung.

Grundrentenzeit: Pflichtversicherung zählt mit

Für einen Anspruch auf Grundrente müssen Sie mindestens 33 Jahre „Grundrentenzeiten“ nachweisen. Auch hier sind Pflichtversicherte im Vorteil. Die Zeiten der selbst gewählten Antragspflichtversicherung gelten als Grundrentenzeiten, die der freiwilligen Beitragszahlungen nicht.

Rentenplus in den neuen Bundesländern

Für Pflichtversicherte gibt es bis 2024 in den neuen Ländern noch eine Hochwertung der Pflichtbeiträge. Freiwillige Beiträge an die deutsche Rentenversicherung werden demgegenüber nicht aufgewertet. Derzeit erfolgt noch eine Hochwertung um 7 Prozent. 1 Euro Rentenbeitrag zählt für die Betroffenen also wie ein (West-)Beitrag in Höhe von 1,07 Euro. Bis 2024 wird dieser Vorteil Schritt für Schritt abgeschmolzen. Für freiwillig Versicherte gilt dies nicht.

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Autor

Rolf Winkel