Altersvorsorge / 24.08.2020

Riester: Wie Fondsanbieter die Rendite killen

Vielen Riester-Sparern hat der Börsencrash viel mehr geschadet als sie ahnen. Warum trotz steigender Kurse die Rendite oft futsch ist.

Junger Mann sitzt zuhause am Esstisch mit im Nacken verschränkten Armen und schaut nachdenklich auf Unterlagen und einen Taschenrechner.

Während des Börsenabsturzes durch die Corona-Krise im März haben viele Anbieter von Riester-Fondssparplänen ihre Portfolios umgeschichtet: Raus aus Aktien, rein in sichere Rentenpapiere. Der Grund: Riester-Verträge müssen das angesparte Kapital am Ende der Laufzeit garantieren. Daher agieren die Anbieter vorsichtig. Das Problem: Verkauft wurde oft zu Tiefstkursen – und so die Rendite zunichte gemacht.

Wie Kunden ihren Vertrag checken und welche Optionen sie haben, erklärt Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Herr Nauhauser, was ist mit den Riester-Fonds in der Corona-Krise genau passiert?

Nauhauser: Der Aktienanteil wurde reduziert oder ganz aufgelöst, oft nahe am Tiefstand des Marktes. Der Anbieter Fairr etwa, der bis dahin besonders stark auf Aktien gesetzt hatte, hat am 12. März alle Aktienfonds und -ETFs verkauft und steigt erst jetzt wieder ein. Die Märkte sind seitdem aber bereits um rund 25 Prozent gestiegen. An dieser Erholung konnten die Fairr-Kunden nicht teilhaben. Immerhin wurden sie darüber zeitnah und ausführlich informiert.

Ist das nicht üblich?

Nauhauser: Nein, gesetzlich vorgeschrieben ist nur die Information für das abgelaufene Beitragsjahr. Bei Riester-Verträgen lassen sich die Anbieter weitgehende Rechte einräumen, wie sie die Anlagestrategie umsetzen. Darüber müssen sie weder fortlaufend informieren noch ihre Kunden in die Entscheidungen einbinden.

Wie kann ich nachvollziehen, was mein Anbieter mit meinem Kapital gemacht hat?

Nauhauser: Wer nicht auf die nächste Jahresmitteilung warten will, muss selbst aktiv werden. Bei Fondssparplänen schaut man in die Depotauszüge, dort sind Käufe und Verkäufe aufgelistet. Sie lassen sich jederzeit einsehen, etwa im Online Banking. Am Ende des Dokuments steht die Anzahl der Fondsanteile. Meist liegt das Geld in mehreren Fonds. Welcher Anteil des Kapitals in welchen Fonds liegt, kann man selbst ausrechnen.

Wie kann ich verhindern, dass mein Geld in niedrig oder gar unverzinste Rentenpapiere umgeschichtet wird?

Nauhauser: Gar nicht. In die Anlagestrategie können Sie nicht eingreifen. Über Kauf und Verkauf von Anteilen oder die Reaktion auf einen Börsencrash entscheiden allein die Anbieter, zum Teil sogar für jeden Kunden individuell. Typischerweise senken sie zum Beispiel die Aktienquote eines Vertrags, je näher die Rente rückt. Der Anbieter Fairr hatte die angestrebten Aktienquoten je nach Alter des Sparers veröffentlicht, allerdings sind derartige Informationen nicht verbindlich.

Kann ich sicher sein, dass mein Geld nach der Krise wieder in Aktien zurückgeschichtet wird?

Nauhauser: Nein, das liegt im Ermessen der Anbieter. Für ältere Sparer stehen die Chancen hier schlechter. Wenn man Risiko herausnimmt – wofür es gute Gründe geben kann –, reduziert man aber auch die möglichen Erträge.

Kann ich Auskunft darüber verlangen, wie mit meinem Vertrag künftig verfahren wird?

Nauhauser: Eine berechtigte Frage. Doch bei Riester-Verträgen werden sich die Anbieter hier nicht festlegen. Die Anlagestrategien haben sich über die Jahre mehrfach geändert und werden dies vermutlich auch künftig tun. Mit einem Riester-Fondssparplan kaufen Sie, ebenso wie mit einer Riester-Rentenversicherung, die Katze im Sack.

Was kann ich tun, wenn ich mit der Entwicklung unzufrieden bin?

Nauhauser: Wenig. Bei fondsgebundenen Riester-Rentenversicherungen können Sie möglicherweise für einen Teil des Guthabens den Fonds wechseln und zum Beispiel einen breit gestreuten, weltweiten Fonds wählen. Bei den Fondssparplänen – die einen Großteil der aktienorientierten Verträge ausmachen – gibt der Anbieter den Fonds vor.

Sind Kündigung oder Beitragsfreistellung aus ihrer Sicht Optionen?

Nauhauser: Ja, aber das hängt sehr von der individuellen Konstellation ab. Bei der Beitragsfreistellung fallen ja trotzdem weiter Gebühren an. Eine förderschädliche Kündigung ist nur sinnvoll, wenn der Anteil der Zulagen gering ist und das Geld außerhalb von Riester besser angelegt werden kann. Bei einem Anbieterwechsel innerhalb der Riester-Rente kaufen Sie erneut die Katze im Sack, da Sie auch hier nicht wissen, wie Ihr Geld künftig angelegt wird. Je kürzer die Laufzeit bis zur Rente, desto weniger dürfte sich ein Anbieterwechsel noch lohnen.

Welche Optionen sehen Sie sonst?

Nauhauser: Junge Sparer ohne Kinder und mit höherem Einkommen können ihre Altersvorsorge auch ohne Riester aufbauen, etwa mit einem ETF-Sparplan, der in breit gestreute Aktienfonds investiert.

Oder über die gesetzliche Rente?

Nauhauser: Sie ist das wichtigste Standbein der Altersvorsorge und finanziert sich aus den Arbeitseinkommen der deutschen Bevölkerung. Bei einer Anlage am Kapitalmarkt, etwa in Aktien, wird die künftige Rente aus den weltweiten Unternehmensgewinnen generiert. Die Kombination beider Bausteine senkt das Risiko. Dazu muss die Kapitaldeckung aber stärker als heute an den Interessen der Verbraucher ausgerichtet sein, nicht an jenen der Finanzlobby.

So wurden Riester-Fondssparpläne umgeschichtet

Am Beispiel eines konkreten Riester-Fondssparplans „UniProfiRente“ des Anbieters Union Investment lassen sich die Umschichtungen und ihre Auswirkungen gut erkennen.

Am 31. Dezember 2019 beinhaltete der Vertrag 88,284 Anteile des Aktienfonds UniGlobal Vorsorge und 114,142 Anteile des Rentenfonds UniEuroRenta. Der Gesamt-Depotwert lag bei 27.912 Euro.

Um den Aktienanteil zu bestimmen, müssen die Anteile mit ihrem jeweiligen Euro-Wert multipliziert werden. In Aktien angelegt waren demnach 20.336 Euro (88,284 x 230,35 Euro). Daraus ergibt sich ein Aktienanteil des Vertrags von 72,9 Prozent (20.336/27.912 x 100).

Am 18. März 2020 hatte Union Investment umgeschichtet. In einer einzigen Transaktion wurde der Großteil des Aktienbestands verkauft. Gleichzeitig wurde der Bestand an Rentenpapieren verdreifacht.

Der Aktienanteil des Vertrags ist auf nur noch 12,4 Prozent gesunken (3.018/24.326 x 100). Durch das Realisieren der Verluste am Aktienmarkt ist der Gesamt-Depotwert auf 24.326 Euro gesunken – ein Minus von 13 Prozent gegenüber Ende 2019.

Eine Rückumschichtung in Aktien hat bis heute nicht stattgefunden. Damit wurde der Kunde von der Erholung des Aktienmarktes in diesem Zeitraum schlichtweg ausgeschlossen.

Autorenbild

Autor

Jürgen Baltes