Rente / 25.04.2022

Senior-Jobber: „Turbo“ für die Rente zünden

Wer sich als Senior noch was dazuverdient, kann mit wenig Extra-Aufwand seine Rente nochmals steigern. Wie das funktioniert und was das bringt.

Senior-Jobber: „Turbo“ für die Rente zünden. – Beschäftigter einer Brauerei im Rentenalter.

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In Deutschland sind laut Bundesagentur für Arbeit rund 300.000 ältere Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, die bereits ihr reguläres Rentenalter überschritten haben. Dazu kommen noch etwa eine Million Minijobber jenseits der Altersgrenze. Was sich wohl noch nicht herumgesprochen hat: Diese Senior-Arbeitnehmer können ihre Rente nochmals deutlich steigern. Doch nur wenige nutzen bislang diese Möglichkeit.

Standardfall: Rentner zahlen keine Rentenbeiträge

Wenn Sie schon die volle reguläre Altersrente bekommen und zusätzlich arbeiten, müssen Sie für diese Beschäftigung keine Beiträge in die Rentenkasse einzahlen. Das gilt sowohl für Tätigkeiten, die ansonsten in den anderen Sozialversicherungen beitragspflichtig sind, als auch für Minijobs.

Außerdem dürfen Sie nach dem Erreichen des regulären Rentenalters unbegrenzt zur Rente hinzuverdienen, ohne dass diese gekürzt wird. Den Nebenverdienst muss nicht mal der Rentenversicherung gemeldet werden.

Für Ihren Arbeitgeber sieht das zwar anders aus. Er muss trotzdem einen Teil Ihres Bruttolohns an die Rentenkasse abführen. Bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung muss er 9,3 Prozent leisten, die Hälfte des Beitragssatzes der Rentenversicherung von 18,6 Prozent. Bei einem Minijob sind es sogar 15 Prozent.

Als Arbeitnehmer haben Sie jedoch nichts davon. Denn diese Beiträge fließen nicht auf Ihr Rentenkonto sondern kommen der allgemeinen Rentenkasse zugute. Ärgerlich – nicht wahr? Doch wer aufpasst, kann genau dies vermeiden.

Opting-in: Rentenversicherungspflicht wählen

Senior-Arbeitnehmer können die Rentenversicherungspflicht ausdrücklich wählen. Das nennt sich „Opting-in“. Sie zahlen dann selbst wieder – genau wie Jüngere – eigene Beiträge in die Rentenkasse. Aber was soll das bringen?

Der Vorteil: Sie können weitere Rentenpunkte sammeln. Und nicht nur das: Auch der Arbeitgeberbeitrag wird nun Ihrem eigenen Rentenkonto gutgeschrieben und fließt nicht mehr in die allgemeine Rentenkasse, genau wie bei jüngeren Arbeitnehmern.

Das Rentenplus wird jährlich am darauffolgenden 1. Juli der Altersrente gutgeschrieben. Dabei werden jeweils Ihre im letzten Kalenderjahr erarbeiteten Rentenansprüche berücksichtigt. Zum 1. Juli 2022 erhöhen damit beispielsweise die im Jahr 2021 gezahlten zusätzlichen Rentenbeiträge die künftige, ab Juli 2022 gezahlte, Altersrente.

Was die Rentenversicherungsbeiträge bringen

Unterm Strich bringt die Einwahl in die Versicherungspflicht einem Rentner, der ein Jahr lang mit einem Durchschnittsverdienst weiterarbeitet, ein monatliches Rentenplus von etwa 34 Euro.

Doch dabei bleibt es nicht. Für die neu erwirtschafteten Ansprüche gibt es zudem einen Zuschlag von 0,5 Prozentpunkten pro Monat der „verspäteten“ Berücksichtigung der Ansprüche bei der Rente.

Wenn Sie einen Minijob haben, sieht das Verhältnis von Aufwand und Ertrag besonders gut aus. Denn dann übernimmt Ihr Arbeitgeber bereits den Großteil des Rentenbeitrags, nämlich 15 Prozent Ihres Bruttolohns. Sie selbst müssen diesen Beitrag nur noch um 3,6 Prozentpunkte aufstocken.

Beispiel 1: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

Clara S. hat im Dezember 2020 ihr reguläres Rentenalter erreicht. Seit Januar 2021 bezieht sie Altersrente. Ihr Arbeitgeber hat ihr eine Weiterarbeit mit einem Bruttolohn von 3500 Euro angeboten und sie hat das Angebot gern angenommen.

Frau S. wäre eigentlich rentenversicherungsfrei. Sie hat sich jedoch für die Einwahl in die Rentenversicherung entschieden. Deshalb zahlt sie zum einen von ihrem Bruttoverdienst von 3500 Euro Rentenversicherungsbeiträge – und zwar den Arbeitnehmeranteil von 9,3 Prozent. Das sind monatlich 325,50 Euro.

Dafür erwirtschaftet sie 2021 Rentenansprüche im Wert von 1,01 Entgeltpunkten (EP). Auf diesen neuen Anspruch – und nur auf diesen – gibt es ab dem 1. Juli 2022 noch einen Zuschlag für die 18 Monate (von Januar 2021 bis Juni 2022), für die dieser neue Teil ihrer Rente „verspätet“ bezogen wird, von 9 Prozent (18 x 0,5 Prozent).

Ihre Rente steigt damit nicht nur um 1,01 EP, sondern um 1,1 EP. Das wird ihr dann ein monatliches Rentenplus von 37,68 Euro bringen. Dass es zum 1. Juli 2022 wieder eine deutliche Rentenerhöhung gibt, ist hier noch nicht einmal berücksichtigt.

Für ihre Rentenversicherungsbeiträge von 2021 in Höhe von 3906,00 Euro (12 x 325,50) erhält sie eine jährliche zusätzliche Rente von 452,16 Euro (12 x 37,68).

Es lässt sich leicht errechnen, dass Clara S. diese Investition in knapp neun Jahren des Rentenbezugs wieder heraus haben wird.

Bezieht man ein, dass hiervon noch Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung anfallen, amortisiert sich die Einzahlung in etwa zehn Jahren. Die in der Regel jährlichen Rentensteigerungen sind dabei nicht berücksichtigt.


Beispiel 2: Rentenversicherungspflicht bei Minijobs

Klaus G. hat im Dezember 2020 sein reguläres Rentenalter erreicht. Seit Januar 2021 hat er einen 450-Euro-Minijob. Sein Chef zahlt 15 Prozent von 450 Euro, das sind 67,50 Euro monatlich, in die Rentenkasse.

Würde Herr G. es bei der Rentenversicherungsfreiheit seines Jobs belassen, so hätte er selbst gar nichts von den Beiträgen seines Chefs. Doch er hat sich für die Einwahl in die Rentenversicherungspflicht entschieden und stockt die Arbeitgeberpauschale um 3,6 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent auf. Damit zahlt er selbst monatlich 16,20 Euro in die Rentenkasse ein. Herr G. bekommt statt 450 Euro also nur noch monatlich 433,80 Euro ausgezahlt.

2021 leistet er insgesamt 194,40 Euro an die Rentenversicherung. Das bringt ihm von Juli 2022 an ein monatliches Rentenplus von 4,84 Euro, einschließlich des „Verspätungszuschlags“, und auf ein Jahr bezogen eine Zusatzrente von 58,13 Euro. Die Beitragszahlung amortisiert sich in seinem Fall bereits nach knapp vier Jahren.


So funktioniert der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit

  • Den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit erklären Sie schriftlich gegenüber Ihrem Arbeitgeber. Nutzen Sie dafür das entsprechende Formular.
  • Mit der Rentenversicherung müssen Sie keinen Kontakt aufnehmen.
  • Der Verzicht auf die Versicherungsfreiheit ist für die Dauer der Beschäftigung bindend.
  • Die Erklärung kann jederzeit erfolgen, also auch im laufenden Beschäftigungsverhältnis. Sie gilt allerdings nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft.

Der Arbeitgeber muss die Erklärung in seinen Entgeltunterlagen aufbewahren. Fortan führt er nicht nur den Arbeitgeber-, sondern auch den Arbeitnehmerbeitrag an die Rentenversicherung ab.
 

Attraktive Möglichkeit kaum genutzt

Die Entscheidung für die Rentenversicherungspflicht ist für Senioren finanziell gesehen also durchaus attraktiv. Genutzt wurde diese Möglichkeit bisher allerdings kaum, wie die Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung zeigen. So übten Ende 2018 insgesamt 14,4 Prozent aller Rentner unter 70 Jahren, die das reguläre Rentenalter erreicht hatten, eine sozialversicherungspflichtige oder geringfügige Beschäftigung aus. Doch nur 0,3 Prozent aller Rentner – bezogen auf die Beschäftigten unter ihnen: etwa jeder 50. – hatte sich in die Rentenversicherungspflicht eingewählt.

Wette auf ein langes Leben

Natürlich fragt sich jeder, der in höherem Alter Geld in eine Rente investiert, ob sich dies noch lohnt. Jede Rente ist eine Wette auf ein möglichst langes Leben. Die durchschnittliche fernere Lebenserwartung liegt derzeit (nach der Sterbetafel 2018/20) in Deutschland für 65-jährige Männer bei weiteren 17,92 Jahren und für gleichaltrige Frauen bei 21,12 Jahren. Wer bislang noch keine größeren gesundheitlichen Einschläge hatte und einigermaßen gesund lebt, hat gute Chancen, den Durchschnitt zu „toppen“.

Für jüngere und relativ gesunde Rentnerinnen und Rentner spricht deshalb vieles dafür, dass sich Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung rechnen. Um von Einzahlungen in eine klassische private Rentenversicherung oder eine private Sofortrente zu profitieren, müssen Versicherte dagegen schon deutlich älter werden, als die Werte der Sterbetafel ausweisen.

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Autor

Rolf Winkel