
Berlin/Bad Homburg (sth). Das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigte neue Rentengesetz – offiziell: „Gesetz zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand“ – hat bei den Tarifparteien ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Während die Arbeitgeber im vorgelegten Referentenentwurf neben wenig Licht vor allem viel Schatten sehen, loben die Gewerkschaften die geplanten Leistungsverbesserungen.
In ihrer jetzt veröffentlichten Stellungnahme begrüßt die Arbeitgeberseite die geplante Wiedereinführung des Nachholfaktors in der Rentenanpassungsformel, sieht die gleichzeitig vorgesehene „Rücknahme des Effekts der ,Revision der beitragspflichtigen Entgelte'“ aber kritisch. Mit dieser Revision hatte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) auf das Flexirentengesetz von 2017 reagiert. Die Neuberechnung der rentenversicherungspflichtigen Verdienste sorgte dafür, dass die oft niedrigen Löhne von Rentnerinnen und Rentnern, die über die Regelaltersgrenze hinaus weiterarbeiten, in die Formel zur Berechnung der Rentenanpassung einbezogen wurden.
Dadurch war der statistische Durchschnittsverdienst aller Beschäftigten 2019 gesunken und zugleich das Rentenniveau vor Steuern wegen der Rentenerhöhung im vergangenen Jahr rechnerisch auf 49,4 Prozent gestiegen. „Ohne diese Revision hätte sich für das Jahr 2021 ein Sicherungsniveau vor Steuern von 48,4 Prozent ergeben“, hatte die Bundesregierung deshalb bereits in der Rentenwertbestimmungsverordnung 2021 festgestellt.
BDA: Faktische Anhebung des Mindestrentenniveaus
Die Neuberechnung der beitragspflichtigen Verdienste führe „faktisch zu einer Anhebung des Mindestsicherungsniveaus“ von 48 Prozent, kritisiert die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die geplanten Änderungen hätten „zur Folge, dass die Renten zur Einhaltung des Mindestsicherungsniveaus rund 2 Prozent höher sein müssen als nach der aktuellen Definition“. Im Gesetzentwurf werde von der Bundesregierung jedoch nicht begründet, warum die „durchaus sachgerechte Einbeziehung von Löhnen beschäftigter Rentnerinnen und Rentner in die Ermittlung der Durchschnittslöhne nun auf einmal wieder rückgängig gemacht werden soll“, so die BDA.
Kritisch sehen die Arbeitgeber auch die geplante nachträgliche Besserstellung aller Langzeit-Empfängerinnen und -Empfänger einer Erwerbsminderungsrente. Der ab Mitte 2024 geplante Zuschlag zur Rente von 4,5 oder 7,5 Prozent für Menschen, die bereits seit vielen Jahren nicht mehr erwerbsfähig sind, „sollte unterbleiben“, fordern die Arbeitgeber. Sie begründen ihre Position damit, dass Bestands-Erwerbsgeminderte von rentenrechtlichen Vorteilen profitieren würden, „die für den Rentenneuzugang nicht mehr gelten“. Beispielhaft nennt die BDA-Stellungnahme in diesem Zusammenhang schulische Ausbildungszeiten, die nur bei Beginn einer Erwerbsminderungsrente vor 2009 „rentensteigernd berücksichtigt“ worden seien.
DGB: Lob für höhere Bestands-Erwerbsminderungsrenten
Deutlich positiver beurteilen die Gewerkschaften die geplanten Neuregelungen – wenn auch mit Einschränkungen. Deutliche Rückendeckung bekommt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für die Einbeziehung von Langzeit-Erwerbsgeminderten in die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten seit 2014. Der vorgesehene Zwei-Stufen-Pauschalzuschlag von 4,5 und 7,5 Prozent – je nach Zeitraum des individuellen Rentenbeginns – sei „sinnvoll differenziert“, heißt es in der DGB-Stellungnahme zum Gesetzentwurf. Kritisch merkt das Gewerkschaftspapier jedoch an, die Höhe des Zuschlags sei „sehr knapp geraten und hätte höher ausfallen müssen“.
Weniger Begeisterung löst bei den Arbeitnehmervertretern die diesjährige Rentenerhöhung aus – obwohl sie mit 5,35 Prozent (West) und 6,12 Prozent (Ost) außergewöhnlich hoch ausfällt. Durch die geplante Wiedereinführung des sogenannten Nachholfaktors – offiziell: „Ausgleichsfaktor“ – falle die Rentenanpassung „um 1,17 Prozent niedriger aus als rechnerisch vorgesehen wäre“, kritisiert der DGB. Zudem sinke dadurch das Rentenniveau in diesem Jahr auf 48,14 Prozent und die Renten stiegen bis 2026 „nur noch um 13,6 statt 15,6 Prozent“, während die Löhne in diesem Zeitraum um rund 16 Prozent kletterten. „Damit steigen die Renten bis 2026 um rund 2,4 Prozent langsamer als die Löhne, daher sinkt das Rentenniveau auf 47,3 Prozent“, moniert das DGB-Papier. Die Reaktivierung des Nachholfaktors komme damit „einer Rentenkürzung gleich“, heißt es.
Erwerbsminderungsrente
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