

Das Rentenrecht ist kompliziert, es gibt Hunderte Reha-Kliniken und tausend Möglichkeiten der Altersvorsorge. Und es gibt eine Sozialversicherung, die zu all dem berät und informiert. Anke Weitz von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland nennt Beispiele und Zukunftsperspektiven der Beratung.
Wie viele Auskunfts- und Beratungsstellen (AuB-Stellen) unterhält Ihr Rentenversicherungsträger und wie viele gibt es bundesweit?
Anke Weitz: Die DRV Mitteldeutschland hat 27 AuB-Stellen sowie 11 Sprechtagsorte. Bundesweit gibt es etwa 160 AuB-Stellen und rund 390 Sprechtagsorte mit stundenweisen Beratungsterminen. Auskunft geben auch über 4.000 ehrenamtliche Versichertenberater und -älteste sowie die Versicherungsämter auf kommunaler Ebene.
Welche Themen werden am häufigsten nachgefragt?
Anke Weitz: Wir beraten unabhängig und kostenlos bei Fragen zur Rente, Rehabilitation und zusätzlichen Altersvorsorge. An erster Stelle steht klar die Frage, ab wann man in Altersrente gehen kann – entweder mit Abschlägen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder in eine reguläre, abschlagsfreie Rente. Oft wird gefragt, ob die letzten Jahre der Beschäftigung einen besonders wichtigen Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Dem ist nicht so. Mehr und mehr wird gefragt, ob Abschläge wegen eines vorgezogenen Rentenbeginns ausgeglichen werden können und wie hoch die erforderliche Zahlungshöhe wäre. Das muss natürlich individuell ermittelt werden. Auch nach Auswirkungen von Altersteilzeit auf die Rentenhöhe wird gefragt. Und Hinterbliebenenrenten sind ein weiteres wichtiges Themengebiet.
Fragen Versicherte auch wegen der schriftlichen Renteninfo nach?
Anke Weitz: Ja – insbesondere zur Renteninformation, die alle jährlich bekommen, sobald sie das 27. Lebensjahr vollendet und Rentensprüche erworben haben. Diese dient den Versicherten insbesondere zum Vergleich der jährlich neu erworbenen Rentenansprüche. Sie ist allerdings nicht so umfassend wie die Rentenauskunft, die man ab dem 55. Geburtstag alle drei Jahre erhält. Diese ersetzt die Renteninformation und enthält neben einem aktuellen Versicherungsverlauf ausführliche Infos zu den einzelnen Altersrenten, zu Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente, teilweise mit aktueller Berechnung. Auch dieses Papier wird oft nicht ganz verstanden und führt zu Nachfragen.
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Renten-Reformpakete – etwa die Einführung der Mütterrente. Spürt man das in der Beratung?
Anke Weitz: Auf jeden Fall. Jede Rechtsänderung lässt den Beratungsbedarf in die Höhe schnellen. Es kommt mehr Laufkundschaft – Versicherte, die ohne Termin erscheinen. Auch der Zugriff auf die Internetseite deutsche-rentenversicherung.de und die Suche nach bestimmten Begriffen erhöht sich.
Gibt es in den Beratungsstellen viel sogenannte Laufkundschaft?
Anke Weitz: Nein, in der Regel arbeiten wir mehr mit Terminbesuchen. Aber wir halten immer einen kleinen Puffer vor, um spontan kommende Besucher beraten zu können.
Sie beraten aber auch zur Altersvorsorge. Wie muss man sich das vorstellen?
Anke Weitz: Eine kleine Korrektur voraus, die Rentenversicherung berät hier nicht, sondern informiert. Zur Altersvorsorge-Information gehören drei Schritte. Im ersten werden die gesetzlichen Anwartschaften festgestellt. Danach fragen wir, was hat derjenige noch an betrieblichen oder privaten Ansprüchen? Daraus ermitteln wir dann die sogenannte Versorgungslücke – und verweisen auf Anlageformen, mit der sie geschlossen werden könnte. In erster Linie nennen wir Sparformen, die öffentlich gefördert werden wie Riester, Rürup und Wohneigentum.
Die Rentenversicherung darf aber keine Altersvorsorgeprodukte empfehlen?
Anke Weitz: Das Gesetz verbietet uns, auf bestimmte Produkte von bestimmen Anbietern zu verweisen. Ein Vorteil der DRV ist aber, dass sie anbieterunabhängig informieren und die Versicherten zeitgleich einen Blick auf ihr Versicherungskonto werfen können. Mit den Informationen aus dem Gespräch fällt es Versicherten leichter, das passende Produkt zu finden. Welches dann infrage kommt, kann man etwa mit der Verbraucherzentrale klären.
Wie grenzt sich eine Altersvorsorge-Beratung der DRV von der einer der Verbraucherzentralen ab?
Anke Weitz: Die Verbraucherzentrale verfügt über spezielle Berater, die sich im Vertragsrecht der aktuellen Altersvorsorgeprodukte auskennen und diesbezüglich auch geschult sind. Sie geben Informationen zu den Anlageklassen und Produktarten. Dabei dürfen sie auch Vor- und Nachteile zwischen den Produkten nennen und Empfehlungen geben. Diese Beratung ist zwar kostenpflichtig – je nach Bundesland in unterschiedlicher Höhe –, aber es ist eine neutrale Verbraucherauskunft.
Sehen Sie eine Altersgrenze, sich über ergänzende Altersvorsorge zur gesetzlichen Rente zu informieren?
Anke Weitz: Nein, es gibt keine Orientierungsgröße bis zu welchem Alter sich eine Vorsorge lohnt. Eine Lebenssituation kann sich jederzeit ändern. Man kann ein Erbe antreten oder in Altersteilzeit gehen. Dadurch kann es auch kurz vor dem Ruhestand noch sinnvoll sein, eine zusätzliche Altersvorsorge zu wählen, ein angespartes Produkt umzuwandeln oder vielleicht sogar die zu erwartenden Abschläge wegen vorgezogenem Rentenbezug auszugleichen.
Bis vor zwei Jahren gab es noch spezielle Reha-Servicestellen. Die sind verschwunden. Wohin wenden sich Betroffene jetzt?
Anke Weitz: Sie sind nicht verschwunden, es gab nur vom Gesetzgeber veranlasste organisatorische Änderungen. Bei unseren Fachberatern in den sogenannten Ansprechstellen der Deutschen Rentenversicherung erhalten Anfragende nach wie vor Informationen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Auch andere Reha-Träger neben der DRV informieren bei Bedarf, beispielsweise Versorgungs- und Integrationsämter, die Arbeitsagenturen und die Krankenkassen.
Auf Veranlassung des Bundesrechnungshofs mussten schon AuB-Stellen schließen. Wie wirkt sich das aus?
Anke Weitz: Das war in den Jahren 2012 bis 2015. Im Gegenzug wurden aber kleinere Sprechtagsstellen aufgemacht. Die öffnen zwar nur stundenweise, sind jedoch weiter verbreitet und in den Regionen gestreut. Gleichzeitig baut die DRV andere Beratungsservices aus. Sowohl die telefonische Beratung über die kostenlose Nummer 0800 1000 4800, als auch die Onlinedienste zur Info und Erreichbarkeit per Internet. Die Beratung in digitaler Form ersetzt jedoch niemals die persönliche Beratung einer AuB-Stelle. In einem Chat kann ich nicht so kommunizieren wie mit einem Menschen gegenüber.
Gibt es weitere Pilotprojekte für die Beratung?
Anke Weitz: Einige Rententräger bauen zusätzlich eine Videoberatung auf, auch die DRV Mitteldeutschland. Hier ist man zwar durch einen Bildschirm getrennt – hat aber einen Menschen gegenüber, mit dem man ganz normal und sicher seine Angelegenheiten besprechen kann. Als aktuelles Pilotprojekt werden wir den Service für eine Stadtverwaltung anbieten. Die stellt einen Bildschirm zur Verfügung, an dem sich Bürger einloggen und von einem Berater in einer AuB-Stelle beraten lassen können.
Würden Sie sich wünschen, dass mehr Menschen die Beratung der DRV annehmen würden? Und wenn ja: warum?
Anke Weitz: Ja, auf jeden Fall. Erstens weil die Bürger aufgeklärt sein sollten. Die Rechtslage ist nun mal sehr vielschichtig, sodass das Beratungsangebot von uns wichtig ist. Darüber hinaus, um Versicherten Hilfestellung zu geben, beispielsweise beim Rentenantrag. Das hat den Vorteil, dass dadurch die Bearbeitungszeiten gesenkt werden. Es dient der Kundenzufriedenheit und spart natürlich auch Verwaltungs- und Verfahrenskosen, wenn die Anträge korrekt gestellt werden.
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