
Karlsruhe (dpa). Pflegebedürftige und deren Angehörige dürfen künftig nicht mehr für die Reservierung eines Heimplatzes zur Kasse gebeten werden. Eine Platz- oder Reservierungsgebühr für die Zeit bis zum Einzug sei unvereinbar mit den gesetzlichen Vorschriften, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag. Entsprechende Vereinbarungen seien daher unwirksam. Die Entscheidung hat Geltung für alle Heimbewohnerinnen und -bewohner, egal ob gesetzlich oder privat pflichtversichert. (Az. III ZR 225/20)
Die obersten Zivilrichter des BGH gehen davon aus, dass gesetzlich Versicherte grundsätzlich nur für die Tage bezahlen müssen, die sie auch tatsächlich im Heim verbringen. So steht es im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs. „Diese Bestimmung ist zwingendes Recht“, sagte der Senatsvorsitzende Ulrich Herrmann. Nach Auffassung der Richter gilt sie genauso für Privatversicherte. Anderenfalls käme es „zu einer kaum nachvollziehbaren Ungleichbehandlung“, hieß es.
Pflegeschutzbund: Betroffene können Geld zurückverlangen
Die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (Biva-Pflegeschutzbund), die das Urteil mit erstritten hat, schätzt, dass davon Zehntausende Verträge betroffen seien. Freihaltegebühren seien gang und gäbe, sagte der Vorsitzende Manfred Stegger in Karlsruhe. Er geht davon aus, dass Betroffene, die in den vergangenen drei Jahren eine solche Gebühr bezahlt haben, das Geld nun vom Heim zurückfordern können. Ihre Ansprüche seien noch nicht verjährt.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz nimmt an, dass zu Unrecht gezahlte Gebühren zurückgefordert werden können. Vorstand Eugen Brysch nannte das Urteil „richtig und wichtig“.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der nach eigenen Angaben mehr als ein Drittel der Pflegeeinrichtungen in Deutschland vertritt, teilte hingegen auf Anfrage mit: „Uns ist nicht ein einziger Heimvertrag bekannt, der eine solche Regelung enthalten würde.“ Zu möglichen Rückforderungen und den finanziellen Auswirkungen für die Heime äußerte er sich nicht.
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