Rente / 10.12.2020

Brexit stellt künftige Rentenansprüche infrage

Sollten EU und Großbritannien weiterhin keine Vereinbarung treffen, könnten Zeiten erstmals entsandter Beschäftigter nicht mehr für die Rente zählen.

Berlin (sth). Nur noch drei Wochen gilt die Übergangsvereinbarung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union (EU) für die Zeit nach dem Brexit. Doch auch mehr als zehn Monate nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 31. Januar haben sich beide Seiten noch auf keine Regelungen verständigt, die ab dem kommenden Jahr den Verzicht auf Zölle und Handelsschranken erlauben. Vielmehr sieht es weiterhin so aus, als wolle die britische Regierung auf keinen Fall ein Abkommen unterzeichnen, das die künftigen Wettbewerbsbedingungen auf der Basis der EU-Vorstellungen regelt. 

Konkret verlangt Brüssel, dass London Vereinbarungen unterschreibt, die dem Vereinigten Königreich keine unfairen Vorteile verschaffen. Zu den Forderungen gehört beispielsweise, dass die britische Regierung Unternehmen von der Insel keine staatlichen Subventionen zahlt, während sie Umweltschutz- und Sozialstandards absenkt. Damit wäre aber eines der wichtigsten Argumente der Brexit-Befürworter ausgehebelt: dass das Vereinigte Königreich die volle Souveränität über seine Gesetze wiedererlangen soll.

Neu entsandte Arbeitnehmer könnten Leidtragende sein

Da sich die britische Regierung auf die EU-Forderungen bisher nicht einlassen will, droht nun ab dem 1. Januar ein „harter Brexit“. Dabei könnten, wie Rentenversicherungs-Chefin Gundula Roßbach am Donnerstag vor Journalisten erläuterte, vor allem jene Arbeitnehmer vom europäischen Festland die Leidtragenden sein, die im kommenden Jahr von ihrem Arbeitgeber erstmals nach Großbritannien entsandt werden. Sie müssten nicht nur bei der Einreise auf die Insel einen Reisepass statt des bisher ausreichenden Personalausweises vorlegen. Sie hätten auch keinen Anspruch mehr darauf, dass ihre in Großbritannien zurückgelegten Beschäftigungszeiten für ihre spätere Rente als Versicherungszeit anerkannt werden. Roßbach erläuterte das so: „Es gelten dann – sollten mit dem Vereinigten Königreich keine neuen zwischen- bzw. überstaatlichen Vereinbarungen getroffen werden – die jeweiligen nationalen Regelungen.“

Besser dran wären bei einem solchen „Worst-case“-Szenario künftig nur noch jene Arbeitnehmer(innen) aus der EU und Großbritannien, die schon bisher für ihre Arbeitgeber eine Zeitlang auf der Insel oder auf dem Festland tätig waren. Diese Zeiten würden nach Angaben Roßbachs „wie bisher zusammengezählt und bei der Feststellung eines Rentenanspruchs berücksichtigt“. So können Beschäftigte in Deutschland mit 63 Jahren in Rente gehen, wenn sie 35 Versicherungsjahre – zu denen auch Zeiten aus dem Ausland zählen – vorweisen können. Freuen dürften sich zudem Rentnerinnen und Rentner beider Seiten, die in der Vergangenheit Arbeitszeiten in Großbritannien bzw. auf dem Festland zurückgelegt haben, so Roßbach. Bereits laufende Renten würden wie bisher in beide Richtungen uneingeschränkt weitergezahlt – sogar bei einem Umzug auf die Insel.

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Autor

Stefan Thissen