Rente / 03.02.2020

Ex-Renten-Chef kritisiert GAGFAH-Verkauf

Herbert Rische sieht die Trennung der Rentenversicherung von eigenen Sozialwohnungen heute als "kurzsichtig" an.

Bild zum Beitrag "Ex-Renten-Chef kritisiert GAGFAH-Verkauf". Das Bild zeigt das Logo der Deutschen Rentenversicherung.

Berlin (sth). Der ehemalige Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, Herbert Rische, hat den Verkauf der früheren Sozialwohnungs-Gesellschaft im Besitz der Rentenversicherung (GAGFAH) als "aus heutiger Sicht kurzsichtig" kritisiert. In den 1990er-Jahren, als die Rentenversicherung aufgrund der Wiedervereinigung den Rentenbeitrag stark erhöhen musste, habe sich die Situation für die Bundesregierung aber anders dargestellt, nahm Rische am Freitag bei der Jahrestagung des Forschungsnetzwerks Alterssicherung (FNA) die damals politisch Verantwortlichen in Schutz. Nachdem der erste Versuch, die GAGFAH zu verkaufen, 1998 wegen der anstehenden Bundestagswahl noch gestoppt worden sei, habe der spätere Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) im Jahr 2004 "das Ding durchgezogen", erinnerte sich der langjährige Rentenversicherungschef.

Auf die Frage, ob er einen Wiedereinstieg der Rentenversicherung in den sozialen Wohnungsbau befürworte, sagte Rische, er halte wenig davon, die aus heutiger Sicht damals preiswert verkauften GAGFAH-Wohnungen für teures Geld wieder zurückzukaufen. Denkbar sei für ihn jedoch ein neues Wohnungsbau-Engagement der Rentenversicherung zum Beispiel im genossenschaftlichen Bereich. Mit Blick auf das sinkende Rentenniveau warnte Rische davor, dass die Rentner "im höheren Alter nicht ärmer werden dürfen". Im Bereich des Wohnungsbaus "sollten wir über neue Win-win-Situationen" nachdenken, forderte Rische Politik, Wohnbaugesellschaften und private Investoren zum gemeinsamen Engagement auf.

"Rentnerinnen und Rentner besonders betroffen"

Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sagte, die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner seien wegen ihrer gegenüber der Erwerbsphase niedrigeren Einkommen von den stark gestiegenen Mietpreisen besonders betroffen. Zudem gebe es wegen der starken Mietpreisanstiege in den vergangenen Jahren in vielen deutschen Städten "zu wenig bezahlbaren Wohnraum", beklagter er. Auch aus diesem Grund wünschte Siebenkotten dem am Freitag vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen neuen Mietendeckel, mit dem die Mieten in Berlin für fünf Jahre eingefroren werden, "viel Glück".

Das Wohngeld bezeichnete der Mieterbund-Präsident als zwar "effektiv", es bringe aber "keine zusätzlichen Wohnungen". Aktuell würden bundesweit nur etwa 27.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr gebaut, gebraucht würden aber rund 80.000. Besonders dramatisch sei der starke Rückgang im Sozialwohnungsbestand, so Siebenkotten. Seit 1985 habe sich die Zahl der Sozialwohnungen bundesweit von 3,5 Millionen auf derzeit nur noch 1,1 Millionen Wohnungen reduziert. Angesicht dieser Situation seien nicht nur die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gefordert, sagte der Mieter-Lobbyist. "Ohne private Investoren werden wir nicht auskommen."

Nullmeier warnt vor Akzeptanzproblem für die Rentenversicherung

Der Bremer Politikwissenschaftler Frank Nullmeier erinnerte - wie am Donnerstag bereits die Berliner Sozialforscherin Laura Gordo (www.ihre-vorsorge.de berichtete) - daran, dass die Mieten in vielen Großstädten zuletzt stärker gestiegen seien als die Nettorenten. Diese Entwicklung könne zu einem "Akzeptanzproblem für die Rentenversicherung" führen, warnte Nullmeier. Das Problem trete besonders auch dann auf, wenn Rentner bei einem Wohnsitzwechsel plötzlich zusätzlichen Wohngeldbedarf hätten. Zugleich verwies Nullmeier aber darauf, dass auch die Rentnerinnen und Rentner vom Wohngeld und dessen Dynamisierung ab dem Jahr 2022 profitieren würden. 

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase an den Kapitalmärkten und der derzeit vergleichsweise hohen Beitragsrendite der Rentenversicherung schlug Nullmeier vor, innerhalb der Rentenversicherung einen Extratopf für freiwillige Beiträge zu schaffen, die im Kapitaldeckungsverfahren angelegt werden könnten. Eine Idee, der Ex-Rentenversicherungs-Chef Herbert Rische wenig Zukunftsaussichten gab. Die Deutsche Rentenversicherung habe "nur einen kleinen Gestaltungsspielraum", sagte Rische, "aber selbst der wird vom Bundesrechnungshof gebremst".

Mehr zum Thema:

www.fna-rv.de

Weitere Informationen über die Jahrestagung 2020 des Forschungsnetzwerks Alterssicherung (FNA) bei der Deutschen Rentenversicherung

www.fna-rv.de

Historische Analyse des Engagements der Rentenversicherung im sozialen Wohnungsbau

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Autor

Stefan Thissen