
Berlin (sth). Der Bundesregierung droht bei der Grundrente die Zeit davon zu laufen. Wenn das geplante Gesetz zur Besserstellung von Geringverdienern in der Rente nicht in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause (in 14 Tagen, d. Red.) von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden sollte, könnte es bei der Auszahlung der Grundrente zu weiteren Verzögerungen kommen. Das machte der Leiter des Geschäftsbereichs Rechts- und Fachfragen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Andreas Zeuner, am Mittwoch bei einer Video-Pressekonferenz in Berlin deutlich. Schon seit mehreren Wochen war klar, dass die ersten Grundrentenempfänger frühestens Ende Juli kommenden Jahres mit einer Überweisung rechnen können.
Eine der Hauptursachen für den großen Zeitaufwand bei der Umsetzung der Grundrente ist nach Darstellung Zeuners die komplizierte Einkommensprüfung der rund 21 Millionen Rentnerhaushalte, die insgesamt 26 Millionen Renten beziehen. Denn nach dem Willen der Bundesregierung sollen nicht nur künftige, sondern alle laufenden Renten auf einen möglichen Grundrentenanspruch überprüft werden. Dazu müsse für die mehr als 19 Millionen Ruheständler in Deutschland möglichst ein vollautomatisches Datenaustauschverfahren mit den Finanzämtern entwickelt werden, das auch datenschutzrechtlich zulässig ist, erläuterte Zeuner. Die rund 1,8 Millionen Rentner*innen im Ausland sollen dagegen verpflichtet werden, der Rentenversicherung ihrerseits Nachweise über ihr Einkommen vorzulegen.
Beispielberechnung zeigt den hohen Aufwand
Wie aufwendig die Einkommensprüfung im Einzelfall ist – und warum zur Umsetzung der Grundrente mehrere Tausend neue Stellen geschaffen werden müssen –, zeigte Rentenexperte Zeuner anhand eines Beispiels auf:
Kerstin Müller hat
- 40 Jahre als Friseurin in den neuen Bundesländern gearbeitet,
- davon 25 Jahre mit einem Verdienst von 60 % des Durchschnittslohns.
- Die übrigen 15 Jahre lag ihr Verdienst unter 30 % des Durchschnittslohns.
- Das anzurechnende Einkommen beträgt 1.450 Euro monatlich.
- Zwischenergebnis vor Einkommensanrechnung: Zuschlag von 140 Euro
- Müllers Einkommen von 1.450 Euro liegt 200 Euro über der Einkommensgrenze von 1.250 Euro.
- Davon werden 60 % angerechnet = 120 Euro.
- 140 Euro –120 Euro = 20 Euro
- Nach Einkommensanrechnung: Zuschlag von 20 Euro
Um die rechnerisch zustehende Grundrente auszahlen zu können, benötige die Rentenversicherung dann aber noch den von der Bundesregierung geforderten regelmäßig aktualisierten Einkommensnachweis des Grundrenten-Anwärters, erklärte Zeuner. Das könne in der Folge für den Rentner auch einen neuen Rentenbescheid nach sich ziehen, also eine Neufeststellung des Rentenanspruchs.
Das Fazit des Rechtsexperten: Die Einkommensprüfung solle möglichst vereinfacht werden, forderte Zeuner. Zudem solle die Bundesregierung wegen der langen nötigen Vorbereitungszeit bei Rentenversicherung und Finanzämtern nochmals darüber nachdenken, ob das Grundrentengesetz tatsächlich bereits am 1. Januar 2021 in Kraft treten muss.
Denn klar ist auch: Selbst bei einem zeitnahen Beschluss des Bundestags würden weder die Regierungsparteien noch die beteiligten Behörden ein glückliches Bild abgeben, wenn manche Grundrenten-Berechtigte erst in zweieinhalb Jahren zum ersten Mal mehr Geld auf dem Konto vorfinden.
www.deutsche-rentenversicherung.de
Folien zum Vortrag von Andreas Zeuner, Leiter des Geschäftsbereichs Rechts- und Fachfragen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, am 17.06.2020 (pdf)