Rente / 03.03.2023

Hinterbliebenenrenten bleiben weiterhin notwendig

Forschende und Rentenfachleute diskutierten bei der Jahrestagung des Forschungsnetzwerks Alterssicherung über die Witwen- und Witwerabsicherung.

Logo der Deutschen Rentenversicherung. – Bild: Deutsche Rentenversicherung Bund © Armin Okula

Berlin (fna/sth). Eine hochkarätige Debatte über Bedeutung und Gestaltung der Hinterbliebenenrenten: Das gab es schon lange nicht mehr. Am 9. und 10. Februar 2023 war es jedoch so weit: Über 100 Wissenschaftlerinnen, Forscher und Rentenversicherungs-Fachleute trafen sich – nach zwei Jahren mit pandemiebedingt virtuellen Veranstaltungen – wieder in Berlin, um bei der Jahrestagung des renommierten Forschungsnetzwerks Alterssicherung (FNA) die gesetzlichen Witwen- und Witwerrenten sowie den Versorgungsausgleich nach einer Ehescheidung genauer unter die Lupe zu nehmen. Und darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort sowie zahlreiche Interessierte im Stream am Ende der Tagung einig: Sie hatten ein spannendes und facettenreiches Programm aus Vorträgen und Kommentaren erlebt. 

Einen beeindruckenden Einstieg in das Thema fand Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) mit ihren Erläuterungen zu aktuellen Entwicklungstendenzen im familiären Aushandlungsfeld von Erwerbs- und Carearbeit. Hier gelte es weiterhin die Rahmenbedingungen für eine geschlechtergerechte Verteilung zu stärken, um künftig vom Gegen- zum Miteinander in einer gleichberechtigten Tätigkeitsgesellschaft zu kommen, sagte Allmendinger.

Ein vertiefter verfassungsrechtlicher Blick bringt die Forscherinnen Kirsten Scheiwe (Uni Hildesheim) und Wibke Frey (Uni Mainz) zur Diagnose, dass es der Hinterbliebenenrente aufgrund der Ehegebundenheit und unzureichender Berücksichtigung von Carearbeit in Hinblick auf moderne Familienformen an Zielgenauigkeit mangele. Sie schlussfolgerten, dass eine Stärkung eigenständiger Alterssicherungsansprüche von Frauen notwendig sei.

Hinterbliebenenrenten im Zusammenspiel der drei Säulen der Alterssicherung

Eine Thematisierung von Hinterbliebenenrenten im Zusammenspiel der drei Säulen der Alterssicherung durch Präsidentin Gundula Roßbach (DRV Bund), Klaus Stiefermann (Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung) und Peter Schwark (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) zeigte die unterschiedlichen Relevanzen und Regulierungen dieser Leistung in den jeweiligen Säulen auf. In der gesetzlichen Rentenversicherung komme der Hinterbliebenenabsicherung eine bedeutsame – wenn auch langsam abnehmende – Rolle zu, die im Ergebnis mit einer relativ guten Absicherung der Betroffenen einher gehe. Demgegenüber sei die Absicherung von Angehörigen in der Versicherungswirtschaft eine freiwillige Option, die bei Vertragsabschluss immer seltener gewählt werde.

Der Frage, welche Anreize von der Witwenrente auf die Erwerbsbeteiligung ausgehen, näherte sich Andreas Peichl (Uni München / ifo Institut) mit einem kontrovers diskutierten ökonomischen Simulationsmodell, welches für die USA eine deutliche Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit in Folge einer Abschaffung der Witwenrente ergab.

Mit ihren Ausführungen zur armutsvermeidenden und existenziellen Rolle von Hinterbliebenenrenten verdeutlichte Claudia Vogel (HS Neubrandenburg) die sozialpolitische Bedeutung dieser Leistung.

Bisher enge Anknüpfung der Hinterbliebenenleistungen an die Ehe

Unter der Moderation von Angela Borgwardt vertieften Claudia Vogel, Jörg Althammer (Uni Eichstätt-Ingolstadt), Martin Bujard (BiB) sowie Sigrid Leitner (TH Köln) im Rahmen einer Paneldiskussion die sich wandelnden gesellschaftlichen Werte und Vorstellungen zur Absicherung Angehöriger und deuteten die Entwicklungen hinsichtlich ihrer familienpolitischen Implikationen sowie künftigen genderspezifischen Herausforderungen. Die enge Anknüpfung der Hinterbliebenenleistungen an die Ehe, die späte Kompensation unbezahlter Carearbeit und die Bedeutung von Kindern wurden lebhaft diskutiert.

Ein weiteres Highlight schloss sich mit dem Vortrag von Michaela Kreyenfeld (Hertie School) an, der nicht nur große Wissenslücken über den Versorgungsausgleich schloss, sondern darüber hinaus die zentrale Botschaft eindrücklich nachvollziehbar machte: „Der Versorgungsausgleich ist der große Gleichmacher in der Alterssicherung von Frauen und Männern“.

Die Gesamtschau auf die Hinterbliebenenrente wurde abgerundet durch zwei komplementäre Beiträge von Ulrich Becker (MPI) sowie Verena Zwinger (Pensionsversicherungsanstalt Österreich) und Christoph Freudenberg (DRV Bund). Im internationalen Rechtsvergleich und mit Blick auf Reformen der Angehörigenabsicherung in 47 Ländern offenbaren sich die zum Teil erheblichen Unterschiede bei Sicherungszielen und Reichweite der Leistungen.

Autor

 Deutsche Rentenversicherung