Soziales / 12.08.2019

Karriereplanung: Wie viel ist Zufall?

Master mit 23, die erste Führungsrolle mit 30, und Geschäftsführer mit 35: Kann und sollte man die Karriere so genau durchplanen?

Bild zum Thema Karriereplanung: Wie viel ist Zufall? – Jüngere Frau mit Mappe in der einen Hand schüttelt die Hand eines älteren Kollegen im Anzug.

Münster/Korschenbroich (dpa/tmn). Keine Zeit verlieren, nichts dem Zufall überlassen, schnell auf der Karriereleiter nach oben klettern: Ein geradliniger Aufstieg durch die Bildungs- und Führungsebenen ist oft Teil der klassischen Vorstellung von Karriere.

Doch lässt sich die Karriere immer nach den eigenen Vorstellungen meißeln? Karriere-Experten raten beim Berufsweg von rigider Planung ab. Dabei spielen Veränderungen in den Unternehmenskulturen der heutigen Arbeitswelt eine wichtige Rolle.

Die Arbeitswelt wandelt sich, Strukturen werden agiler

Berufstätige müssen sich bewusst machen, dass Karriere sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann und dass der direkte Weg in die Führungsetage nicht das einzige Modell ist, sagt zum Beispiel Coach und Beraterin Stephanie Borgert.

Diese Vorstellung vom linearen Aufstieg werde immer unwahrscheinlicher, da sich auf der Seite der Unternehmen zunehmend neue Formen von Zusammenarbeit und Organisation entwickeln. Auf gemeinsame Wertschöpfung und agile Strukturen werde inzwischen mehr Wert gelegt als auf Einzelerfolge und Hierarchien. Karrierepläne seien daher eher als sich wiederholende Schleifen zu denken, nicht als konstanter Aufstieg.

Konkretes Ziel, flexibler Weg

Für Wirtschaftspsychologin und Business-Coach Eva Schulte-Austum aus Münster ist Karriere eher der Weg zu einem Ziel, weniger eine Abfolge von festen Stationen. Dieses Ziel müssen Beschäftigte dabei so konkret wie möglich formulieren: Einfach viel Geld zu verdienen reiche beispielsweise nicht aus.

Vielmehr müsse man sich klar machen: Warum existiert dieses Ziel? Und welches Motiv verbirgt sich dahinter? Finanzielle Sicherheit, Selbstverwirklichung oder einfach nur die Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungshaltungen? Sind es überhaupt die eigenen Motive, die man verfolgt? Aus dem geklärten Warum könne sich dann das Wie ergeben. Dann fällt einem der weitere Weg leichter.

„Vielen wird das Fehlen eines derartigen Ziels aber erst spät in ihrer Laufbahn bewusst“, sagt Schulte-Austum. Oft passiert das, nachdem Ereignisse einen Strich durch die Karriereplanung machen: Enttäuschung über ausbleibende Erfolge oder Beförderungen, schwierige Chefs und Kollegen, Krankheit oder Entfremdung vom Arbeitsplatz, aber auch Veränderungen im familiären Umfeld wie Nachwuchs oder plötzliche Todesfälle. Wie geht es dann weiter?

Die eigenen Ziele von Zeit zu Zeit hinterfragen

Schulte-Austum versucht in der Arbeit mit ihren Kunden Ziele und Motive zu konkretisieren und zu stärken. Die eigenen Ziele sollte man von Zeit zu Zeit hinterfragen – vor allem, wenn man wiederholt mit Rückschlägen konfrontiert wird. Bei starken Zielen wäre dies aber oft gar nicht nötig. „Am häufigsten stellt sich den Ratsuchenden die große Sinnfrage in den Karriereweg“, sagt die Karriere-Beraterin. Wenn große Umbrüche im Umfeld stattfinden, stellen viele den Sinn ihres Berufs grundsätzlich in Frage.

Was, wenn man nicht ins System passt?

Es kann aber auch die Feststellung sein, dass man nicht ins System passt, sagt Stephanie Borgert: „Das, was für das Erreichen der Karriere notwendig ist an Handeln, Denken und Organisationsverständnis kollidiert mit den eigenen Werten. Dann wählen viele Menschen den Weg des Experten oder gehen in die Selbstständigkeit.“

Selbstreflexion ist der Schlüssel zum Gelingen

Es bedarf einer tiefgehenden Selbstreflektion, da sind sich die Experten einig, um klare Ziele zu formulieren und Vertrauen in deren Gelingen zu entwickeln. Denn während Umweltfaktoren schwer zu beeinflussen sind, können wir uns selbst ändern. Selbstvertrauen zu entwickeln ist laut Eva Schulte-Austum besonders wichtig. Sie empfiehlt dazu, sich wieder und wieder kleine Ziele zu setzen und diese zu erreichen: „Selbstvertrauen ist wie ein Muskel, und den können wir trainieren“.

Passend dazu gäbe es in der Vertrauensforschung den Begriff des „Vertrauenskater“ nach erlebten Enttäuschungen. Davon dürfe man sich aber nicht das Selbstvertrauen kaputt machen lassen. Stattdessen sollte man sich in der Kunst üben, Ablehnungen nicht persönlich zu nehmen und aus Enttäuschungen für die Zukunft zu lernen.

Früh an klar formulierten Zielen orientieren

Der Karriereberater Dieter Krautwald empfiehlt, sich frühzeitig an klaren Zielen und einem klaren Profil zu orientieren. Für alles offen zu sein, führe bei der Karriereplanung eher selten zum Glück.

Bei der Profilierung hilft er darum mit einer Typologie der Karrierekonzepte, die sich an individuellen Präferenzen orientiert. Während das lineare oder das Expert-Karrierekonzept die klassischen Karrierevorstellungen von Aufstieg, Einfluss, Macht oder Expertise reflektiert, finden sich im spiralen oder transitorischen Karrierekonzept öfter die Wünsche jüngerer Leute nach Abwechslung, Selbstverwirklichung, Vernetzung und kurzfristigen Verweildauern wieder.

Erfolgreich ist man dort, wo man hinpasst

Sowohl Einzelne als auch Unternehmen können vom Bewusstsein dieser Diversität an Karrieretypen profitieren, indem sie passende Arbeitgeber oder -nehmer finden. Am Ende kommt es darauf an, ob ein Unternehmen zu den eigenen Werten, Zielen und Motiven passt – und ob man auf die eigenen Fähigkeiten vertraut, sie dort erfolgreich umsetzen zu können.

Autor

 Deutsche Presseagentur – Themendienst