Rente / 14.04.2022

Lob und Kritik für höhere Bestands-Erwerbsminderungsrente

Sozialverbände: Langjährige Forderung wird endlich umgesetzt – doch der Zuschlag von 7,5 und 4,5 Prozent ist zu niedrig und kommt zu spät.

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Bad Homburg (sth). Mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner dürfen sich ab Juli auf die kräftigste Rentenerhöhung seit Jahrzehnten freuen. Die Anpassung der gesetzlichen Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenbezüge um 5,35 Prozent ist in den westlichen Bundesländern der größte Zuwachs seit 1983, der Anstieg um 6,12 Prozent in den östlichen Bundesländern der stärkste seit 1994. Sozialverbände und Gewerkschaften reagierten dennoch mit gedämpfter Freude. „Die in diesem Jahr vergleichsweise gute Rentenerhöhung wird von den steigenden Preisen komplett aufgefressen“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied für Sozialpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Co-Bundesvorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Die eigentlichen Gewinner des von der Ampel-Koalition beschlossenen Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes sind jedoch etwa drei Millionen chronisch kranke Menschen und Unfallopfer, die schon seit vielen Jahren nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten können. Sie profitieren – wenn auch erst ab Mitte 2024 – von einem Zuschlag zu ihrer Rente, der je nach Beginn ihrer Erwerbsminderung 7,5 oder 4,5 Prozent beträgt. Sozialverbände sehen den gestrigen Kabinettsbeschluss denn auch vor allem als Ergebnis ihrer langjährigen Lobbyarbeit an. SoVD-Präsident Adolf Bauer freute sich, „dass eine langjährige Forderung des Sozialverband Deutschland (SoVD) nun endlich umgesetzt wird.“ Und VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte: „Wir begrüßen sehr, dass sich nach so vielen Jahren doch noch etwas bei den Erwerbsminderungsrenten im Bestand bewegt.“

Rentenerhöhung: Wann kommt sie?

Jeden Juli wird die Rente nach der Rentenformel angepasst. Sie folgt der Lohnentwicklung. Die Rentenanpassungsmitteilung zeigt, was von der Rentenerhöhung übrig bleibt.

Kritik an Höhe der und Beginn der Zuschläge

Völlig zufrieden waren die Vertreterinnen und Vertreter von Senioren und behinderten Menschen dennoch nicht. „Über die Höhe des Zuschlags müssen wir im parlamentarischen Verfahren nochmal reden“, sagte VdK-Chefin Bentele. Und ergänzte: „Der VdK fordert einen Aufschlag von 15 beziehungsweise 9 Prozent, damit die Erwerbsminderungsrentner bei der Zurechnungszeit 1:1 gleichgestellt werden.“ Auch SoVD-Präsident Adolf Bauer mahnte einen Nachschlag an – wenn auch nicht so hoch wie von Bentele gefordert: „Um eine vollständige Angleichung aller Erwerbsminderungsrenten zu erreichen, sind nach überschlägigen Berechnungen des SoVD Zuschläge in Höhe von rund 13 Prozent und rund 8 Prozent notwendig“, erklärte Bauer. Einig zeigten sich die beiden Verbände-Chefs zudem darin, dass der geplante Beginn der Rentenzuschläge ab Mitte 2024 „deutlich zu spät gewählt“ sei.

Dem gestern verabschiedeten Gesetzentwurf zufolge erhalten Erwerbsgeminderte, die

  • bereits von 2001 bis Juni 2014 gesundheitsbedingt eine Frührente in Anspruch nehmen mussten, künftig einen Zuschlag von 7,5 Prozent auf ihre heutige (Alters- oder Erwerbsminderungs-)Rente;
  • von Juli 2014 bis Dezember 2018 erstmals eine Erwerbsminderungsrente gezahlt bekamen, einen Zuschlag von 4,5 Prozent, weil sie bereits von den ersten beiden Verbesserungsstufen in den Jahren 2014 und 2018 profitierten.

Laut Gesetzentwurf rechnet die Bundesregierung durch die Leistungsverbesserungen für Langzeit-Erwerbsgeminderte mit Mehrkosten von jährlich 2,6 Milliarden Euro. Die Arbeitgeber hatten wegen des Kostenschubs bereits gefordert, der Zuschlag „sollte unterbleiben“. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass Bestands-Erwerbsgeminderte von rentenrechtlichen Vorteilen profitieren würden, „die für den Rentenneuzugang nicht mehr gelten“.

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Autor

Stefan Thissen