Rente / 02.02.2023

Rente: Kritik an Beitragsäquivalenz wird lauter

DIW-Rentenexperten Peter Haan und Gert Wagner monieren eine „systematische Umverteilung“ von geringen zu hohen Einkommen.

Zwei Frauen halten Einmachgläser mit Geld vor sich. Bild: IMAGO / photothek / Ute Grabowsky

Berlin (sth). Die Kritik am sogenannten Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung wird lauter. Nachdem die Vorsitzende der fünf „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, in einem Zeitungs-Intervíew dafür plädiert hatte, unter Rentnerinnen und Rentnern mit hohen und geringen Rentenansprüchen umzuverteilen, sprachen sich jetzt auch zwei Fachleute des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dafür aus, die Beitragsäquivalenz infrage zu stellen. Die strikte Koppelung von gezahlten Rentenbeiträgen an die spätere Rentenhöhe führe dazu, „dass Versicherte, die längere Erwerbsunterbrechungen oder niedrige Einkommen hatten und daher nur wenig Beiträge zahlten, im Alter überdurchschnittlich von Armut bedroht sind“, schreiben die DIW-Rentenexperten Peter Haan und Gert G. Wagner in einem Essay auf der DIW-Website.

Zur Begründung verweisen Haan und Wagner darauf, dass Beschäftigte mit hohem Bildungsabschluss in aller Regel in weniger belastenden Berufen und mit höherem Einkommen arbeiteten als Arbeitnehmer mit geringerer Bildung. Zudem sei nicht nur in Deutschland nachweisbar, dass die Lebenserwartung und die damit verbundene Länge der Rentenzahlung „vom Bildungsniveau, von Unterschieden in der Belastung im Beruf und vom Einkommen abhängt“. Dadurch gebe es bei der Summe der ausgezahlten Renten eine „systematische Umverteilung von Menschen mit geringen Einkommen zu Menschen mit hohen Einkommen“, monieren die DIW-Fachleute.

„Alles andere als eindeutig gerecht“

Die gegenwärtige Ausgestaltung der Beitragsäquivalenz hierzulande sei „alles andere als eindeutig gerecht“, schreiben Haan und Wagner – denn sie orientiere sich nur an der Höhe der Monatsrente und lasse „systematische Unterschiede in der Lebenserwartung unberücksichtigt“. Zudem könne aus der Forderung nach Beitragsäquivalenz „nicht der Schluss gezogen werden, dass innerhalb des Rentensystems keine Umverteilung erfolgen darf“, so die DIW-Fachleute. Auch der Sozialbeirat der Bundesregierung habe in seinem Gutachten zum jüngsten Rentenversicherungsbericht die besonderen Ausgleichsmechanismen der gesetzlichen Rente als zentral betont, „also genau die Mechanismen, die nicht der Beitragsäquivalenz folgen“.

Eine Abkehr von der bisherigen Form der Beitragsäquivalenz könne einen „wichtigen Beitrag leisten“, um das deutsche Rentensystem auch im kommenden Jahrzehnt stabil zu halten, so Haan und Wagner. So könne etwa eine Mindestrente – die es in Deutschland bisher nicht gibt – auch Menschen absichern, die nur wenige Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hätten „und damit besonders von Altersarmut bedroht sind“. Zudem sollte eine solche Minimalrente so besteuert werden, „dass nur Haushalte betroffen wären, die andere Einkünfte haben“, schlagen die DIW-Experten vor. Darüber hinaus sollte das Rentenrecht ihrer Ansicht so geändert werden, dass die Renten bei hohen Rentenansprüchen geringer ausfallen oder Menschen mit hohen Arbeitseinkommen „überproportional Beiträge leisten“.

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Autor

Stefan Thissen