
Brüssel (dsv/sth). Viele Menschen in Finnland machen die Entscheidung über ihr Renteneintrittsalter von der Einschätzung ihrer persönlichen Lebenserwartung abhängig. Das geht nach einem Bericht der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSV) in Brüssel aus einer aktuellen Studie (in englischer Sprache) hervor. Demnach entscheiden sich vor allem solche Bürgerinnen und Bürger für eine Teilaltersrente ab 61 Jahren, für deren Eltern eine geringe weitere Lebenserwartung prognostiziert wurde. Die Teilaltersrente wurde 2017 im Zuge einer Rentenreform eingeführt.
Eine frühere Studie des Finnischen Zentrums für Renten habe ergeben, dass der häufigste Grund für die Beantragung dieser Rentenart Unsicherheit über die eigene Zukunft und Lebenserwartung ist, heißt es in dem DSV-Bericht. "Die Finnen scheinen ihre eigene Lebenserwartung auf der Grundlage der Lebenserwartung ihrer Eltern einzuschätzen". Frauen und Männer, deren gleichgeschlechtlicher Elternteil in einem jüngeren Alter verstorben ist, würden mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere einen Antrag auf Teilaltersrente stellen. Da Männer eine kürzere Lebenserwartung als Frauen hätten, beantragten sie auch etwa 50 Prozent häufiger als Frauen eine Teilrente, schreiben die Rentenexperten für Europa.
Auswirkungen auf die Rentenfinanzen möglich
Die Ergebnisse dieser Untersuchung könnten "wichtige Auswirkungen auf das Rentensystem" haben, heißt es in dem Bericht weiter – denn die persönlichen Entscheidungen zum Bezug einer Teilrente würden sich "zwangsläufig in den künftigen Rentenzahlungen niederschlagen". Bisher sei die Politik davon ausgegangen, dass Menschen die Entscheidung über ihren Rentenbeginn nicht auf der Grundlage ihrer voraussichtlichen Lebenserwartung treffen würden. Daher erhielten Menschen, die kürzer leben, während ihrer Lebenszeit insgesamt weniger Rentenzahlungen als Menschen mit einem längeren Leben.
"Wenn jedoch Personen mit kürzerer Lebenserwartung ihre Rente systematisch so früh wie möglich in Anspruch nehmen, werden die Rentenzahlungen zwangsläufig höher sein als in den Berechnungen angenommen", schreibt das Brüsseler DSV-Büro. Das sei zwar "nachvollziehbar und rational. Ideal ist es zumindest aus rentenpolitischer Sicht nicht", so das Resümee des Berichts.