Rente / 06.02.2023

Rentensteigerung und die Steuer: Mehr Minus als Plus?

Je nach Jahr des Rentenbeginns sind Monatsrenten schon ab etwa 1200 Euro steuerpflichtig – die jährliche Anpassung verschärft den Druck.

Hand hält Holzstempel mit Aufschrift Rentenbesteuerung.

Frankfurt (sth). Vor einer Woche machte eine große deutsche Tageszeitung auf ein Problem aufmerksam, das in der Öffentlichkeit trotz immer mehr Betroffener bisher kaum diskutiert wird: die zunehmende Besteuerung von Alterseinkünften. Dass der Fiskus bei gesetzlichen und privaten Renten schon seit 2005 immer stärker zugreift, hat sich zwar vielfach herumgesprochen. Doch vielen rentenversicherten Beschäftigten und Ruheständlern ist vor allem bekannt, dass der besteuerte Anteil ihrer Rente davon abhängt, in welchem Jahr genau sie in Rente gehen. Dabei gilt die Regel: Je später der Rentenbeginn, desto mehr muss von der persönlichen Rente versteuert werden. Alleinstehende Neurentnerinnen und -rentner des Jahres 2022 bleiben somit nur noch dann vom Finanzamt unbehelligt, wenn sie neben einer gesetzlichen Rente von höchstens etwa 1200 Euro keine weiteren Einkünfte haben.

Noch weniger bekannt als der Besteuerungsanteil der eigenen Rente dürfte dem Zeitungsbericht zufolge vielen heutigen und künftigen Ruheständlern jedoch sein, dass die jährliche Anpassung der gesetzlichen Rente noch stärker besteuert wird als der Anteil der Rente bei Rentenbeginn – nämlich in voller Höhe. Zwar gibt es einen – vom Jahr des persönlichen Rentenbeginns abhängigen – Rentenfreibetrag. Doch der wächst weder mit der jährlichen Rentenanpassung noch mit der Inflationsrate mit, sondern ist ein „fester Eurobetrag“, wie die Deutsche Rentenversicherung erklärt. Dieser Betrag wird aus der Jahresbruttorente des zweiten Jahres nach Rentenbeginn ermittelt, da im ersten Rentenjahr vielfach noch Monatseinkünfte aus der früheren Beschäftigung fließen.

Besteuerter Rentenanteil steigt während des Rentnerlebens deutlich

Wie sich der besteuerte Rentenanteil im Laufe der durchschnittlich etwa 20 Lebensjahre im Ruhestand verändert, hat die Zeitung von dem Finanzmathematiker Werner Siepe anhand mehrerer Beispiele errechnen lassen. Das Ergebnis: Je nach Höhe der zurückliegenden jährlichen Rentenanpassungen müssen Rentnerinnen und Rentner, die zwischen 2005 und 2020 in den Ruhestand traten, inzwischen einen erheblich größeren Teil ihrer Altersbezüge versteuern als bei Rentenbeginn. „Die Beispiele zeigen, dass eine kleine Ursache, hier der dauerhaft festgezurrte Rentenfreibetrag, eine große Wirkung, nämlich die volle Besteuerung aller Rentensteigerungen haben kann“, wird der Finanzexperte zitiert.

Im Mai 2021 hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen entschieden, dass der bisher von den Finanzämtern neben dem Rentenfreibetrag zusätzlich steuerfrei gestellte Grundfreibetrag künftig „nicht in die Berechnungen“ für die individuelle Rentenbesteuerung einfließen dürfe. „Aufgrund der neuen Vorgabe ermittelt sich der steuerfreie Teil der Rente im Wesentlichen aus dem gesetzlich vorgesehenen Rentenfreibetrag unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Laufzeit der Rente“, stellte daraufhin das Bundesfinanzministerium klar. Wegen dieser Vorgabe sinke der individuelle steuerfreie Rentenbetrag ab, „wodurch eine ,Doppelbesteuerung' in Zukunft für weitere Gruppen wahrscheinlicher wird“. Eine doppelte Besteuerung der Rente ist laut Bundesverfassungsgericht unzulässig. 

Ob die Bundesregierung schon in absehbarer Zeit – wie mit dem Jahressteuergesetz 2022 angekündigt - die Rentenbesteuerung neu angehen wird, bleibt abzuwarten. Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen jedenfalls klargestellt, dass eine Doppelbesteuerung der Renten ab 2025 wahrscheinlicher wird. Ein erster Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung der Rentenbesteuerung liegt bereits vor.

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Autor

Stefan Thissen