
Berlin/Bad Homburg (sth). Gestern hatte ihre-vorsorge.de beleuchtet, wie sich eine weitere Regierungs-Amtszeit von Union und SPD auf die Alterssicherungspolitik auswirken könnte. Heute nehmen wir die Ziele von Wahlverlierer Union sowie der beiden kleineren Wahlgewinner – Bündnis 90/Die Grünen und FDP – auf diesem Feld unter die Lupe. Wir zeigen, wo Schnittmengen liegen und in welchen Punkten sich zwischen den möglichen künftigen Koalitionspartnern derzeit noch ein tiefer Graben auftut.
Rot – Gelb – Grün
Was die meisten Politikbeobachter vor wenigen Monaten nur rechnerisch für möglich hielten, scheint plötzlich die wahrscheinlichste neue Regierungskoalition zu sein: eine Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Auch wenn alle drei Parteien generell eine (sozial-)liberale Grundorientierung haben, trennt sie mit Blick auf die Alterssicherung doch einiges. Am nächsten beieinander liegen eindeutig Sozialdemokraten und die Öko-Partei: Beide streben langfristig eine Erwerbstätigen- oder Bürgerversicherung an, in die auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einzahlen. Einig sind sich Rote und Grüne zudem darin, dass das Renteneintrittsalter auch langfristig nicht über das 67. Lebensjahr hinaus steigen soll. Die Liberalen äußern sich zu dieser politisch heiklen Frage in ihrem Programm nicht: Sie wollen den Versicherten ab dem 60. Lebensjahr – sofern sie über ausreichende Einkünfte verfügen – selbst überlassen, wann der Ruhestand beginnt.
Unterschiedlich sind – auch zwischen SPD und Grünen – die Vorstellungen der möglichen Koalitionäre über die künftige Ausgestaltung der zusätzlichen Altersvorsorge. Während die Sozialdemokraten wieder zu klassischen privaten Altersvorsorgeformen zurückkehren und diese entbürokratisieren wollen, planen die Grünen, "die Riester- und die Rürup-Rente durch einen öffentlich verwalteten Bürger*innenfonds (zu) ersetzen". Einig sind sich beide Parteien jedoch wiederum darin, die staatliche Förderung der Zusatzvorsorge auf untere und mittlere Einkommensgruppen zu beschränken. Ganz anders die FDP: Sie will künftig nach schwedischem Vorbild zwei Prozentpunkte des Rentenbeitrags von 18,6 Prozent in eine "Gesetzliche Aktienrente" umleiten. Dieser Anteil solle "in eine langfristige, chancenorientierte und kapitalgedeckte Altersvorsorge angelegt" werden, die "als Fonds unabhängig verwaltet wird", heißt es im Programm der Liberalen.
Schwarz – Gelb – Grün
Eine Jamaika-Koalition aus Union, Liberalen und Grünen schien schon vor vier Jahren kurz vor dem Durchbruch – und scheiterte letztlich daran, dass FDP-Chef Christian Lindner am Ende das liberale Element in der Koalitionsvereinbarung zu wenig sichtbar erschien. Möglicherweise betraf das auch den Bereich der Altersvorsorge. Denn während Union und Grüne damals wie heute die gesetzliche Rente stabilisieren und stärken wollen, streben die Liberalen an, die "erste Säule unseres Rentensystems (die gesetzliche Rente, d. Red.) künftig auf zwei Pfeiler zu stellen, dadurch endlich für Demographiefestigkeit zu sorgen und das Rentenniveau langfristig wieder zu steigern". Ob dieses Ziel jedoch – wie von der FDP gewünscht – auf dem Weg des schwedischen Prämienrentenmodells besser zu erreichen ist als durch gesetzliche Vorgaben, bleibt fraglich.
Die Union will die bisherige staatlich geförderte Riester-Vorsorge durch ein Standardvorsorgeprodukt ersetzen, das offenbar – wie die Riester-Rente – von der privaten Versicherungswirtschaft entwickelt werden soll. Nur wenn sich die damit verbundenen Erwartungen nicht erfüllen, wollen CDU und CSU die Vorsorgevarianten auch "um ein staatlich organisiertes Standardvorsorgeprodukt erweitern und prüfen, ob wir zu einem stärkeren Maß an Verbindlichkeit kommen müssen", heißt es im Wahlkampfprogramm. Ganz andere Prioritäten setzen hier die Grünen: Der von ihnen geplante Bürger*innenfonds werde "öffentlich und politisch unabhängig verwaltet und investiert anhand von ESG-Nachhaltigkeitskriterien", heißt es im Wahlprogramm. Das Ziel dürfte dabei ähnlich sein wie bei Union und FDP: Der Fonds biete "das Potenzial einer guten Rendite", so die Grünen.