
Berlin (dpa/bd). Den gesetzlichen Mindestlohn senken oder die Erhöhung aussetzen, um die Wirtschaft anzukurbeln? Dieser Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der CDU/CSU im Bundestag stößt auf breite Ablehnung nicht nur in der Opposition, sondern auch in den eigenen Reihen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erteilte dem Vorstoß eine klare Absage, ebenso weitere Unionspolitiker.
Kramp-Karrenbauer: „Hände weg vom Mindestlohn“
„Hände weg vom Mindestlohn“, schrieb Kramp-Karrenbauer am Dienstag bei Twitter. „In dieser Zeit brauchen Unternehmen Spielraum und Liquidität zum Investieren. Darüber reden wir beim Konjunkturpaket. Aber für die CDU ist klar: Nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer.“
„Die CDU ist die Partei der Mitte und des Zusammenhalts“, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak. Besonders Menschen, die auf den Mindestlohn angewiesen sind, hätten es derzeit nicht leicht.
Auch der Arbeitnehmerflügel der Union hält nichts von dem Vorschlag. „Eine Pausierung des Mindestlohns wäre ein Nackenschlag für Millionen Arbeitnehmer. Wer denkt, dass wir unsere Konjunktur ankurbeln, indem wir Millionen Menschen den Lohn kürzen, ist völlig falsch gewickelt“, kritisierte der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, seine Parteikollegen in der „Welt“.
„Es ist ein absurder Vorschlag“, sagte der Vize-Bundesvorsitzende Alexander Krauß, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Vorschlag gehe „nicht nur zu Lasten der Arbeitnehmer, sondern er schwächt auch die Kaufkraft, die wir gerade jetzt brauchen, um die Konjunktur anzukurbeln“.
Mindestlohnkomission will im Juni Vorschlag zur Erhöhung vorlegen
Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der CDU/CSU im Bundestag hatte sich dafür ausgesprochen, den Mindestlohn in Deutschland abzusenken oder zumindest eine Erhöhung im kommenden Jahr auszusetzen.
Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt im Januar von 9,19 Euro auf aktuell 9,35 Euro erhöht. Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern will voraussichtlich im Juni einen neuen Vorschlag für die Erhöhung zum 1. Januar 2021 unterbreiten. Auch aus der Wirtschaft hatte es schon Forderungen nach Aussetzung einer Erhöhung wegen der Corona-Krise gegeben.
Stimmen der Fraktionen zum Mindestlohn-Vorschlag
Viel Kritik kam auch vom Koalitionspartner und der Opposition. SPD-Chefin Saskia Esken schrieb bei Twitter, wer Kassiererinnen, Pflegekräften und Paketzustellern applaudiere, dann aber Mindestlohn und Arbeitszeitschutz verweigern wolle, verhalte sich „schäbig“. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast sprach von einem „Schlag ins Gesicht aller, die zu extrem geringen Löhnen arbeiten müssen“.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte am Dienstag zur Diskussion über den Mindestlohn, es sei „vollkommen daneben in diesen Zeiten, Menschen auf diese Art und Weise zu verunsichern“.
Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Vorstoß „nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch falsch“. Die Nachfrage sei in der Corona-Krise weltweit eingebrochen. Da müsse man gegenhalten, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).
AfD-Co-Chef Tino Chrupalla schrieb bei Twitter: „Den Mindestlohn infrage zu stellen, ist nicht mit der Sozialen Marktwirtschaft vereinbar. Ein weiteres Ideal, das die CDU über Bord wirft.“
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, kritisierte an dem Vorschlag, „der Mindestlohnkommission politische Vorschriften machen“ zu wollen. Gerade „der sogenannte Wirtschaftsflügel“ der Union „müsste die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission respektieren“, so der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.