
Berlin (dpa). Nach ersten Nachweisen der Omikron-Variante in Deutschland gehen Experten von einem bereits darüber hinausgehendem Vorkommen aus. Der Zeitraum, in dem Reisende das Virus bereits international verbreiteten, betrage sicher Wochen, teilte Oliver Keppler, Vorstand am Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dpa-Anfrage mit. „Einige Hundert Fälle können es in Deutschland vielleicht sein.“
Die aktuellen Infektionszahlen in Deutschland könne man jedoch nicht mit Omikron in Verbindung bringen, das sei die Delta-Welle, betonte Keppler. Er halte eine größere unentdeckte Omikron-Verbreitung in Deutschland für unwahrscheinlich. Am Max von Pettenkofer-Institut waren Omikron-Fälle in Bayern nachgewiesen worden. Die Variante war kurz nach ihrem Bekanntwerden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestuft worden. Inzwischen haben mehrere Länder weltweit Nachweise gemeldet. Gesamtzahlen für Deutschland veröffentlicht das Robert Koch-Institut bisher nicht.
Neue Erkenntnisse erst nach Genomsequenzierung
Die Virologin Sandra Ciesek rechnet damit, dass sich über die Dauer und den Umfang der internationalen Omikron-Verbreitung erst in nächster Zeit mehr sagen lässt. Das werde man in den nächsten Wochen lernen, wenn Labore zum Beispiel Rückstellproben aus den vergangenen Wochen analysierten, teilte sie auf Anfrage mit. Das RKI kündigte ebenfalls an, in der Vergangenheit gewonnene Genomsequenzen zu analysieren.
Die Tatsache, dass europäische Länder die Variante erst bei Reisenden erkannten, nachdem Südafrika und andere Länder davor warnten, bedeute wahrscheinlich, dass viele Fälle bisher unentdeckt blieben, twitterte der aus Österreich stammende Impfexperte Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York) vor einigen Tagen. „Es sagt uns auch viel über die Genomüberwachung in einigen Ländern mit hohem Einkommen.“
Bei der Routine-Überwachung in Deutschland wird von fünf bis zehn Prozent der positiven Corona-Proben das Erbgut genau aufgeschlüsselt. „So würde Omikron auch in Deutschland entdeckt“, erklärte der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) am Dienstag. Das RKI informiert in seinen Wochenberichten über Ergebnisse dieser Analysen; dies zeigen stets Daten der Vor-Vorwoche. Begründet wird dies mit der „prozessbedingten langen Dauer bis zur Übermittlung der Sequenzierungsergebnisse an das RKI“.