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„Rentenerhöhung macht 100.000 Ruheständler zu Steuerzahlern“, titelte am 11. April eine große überregionale Tageszeitung. Und noch knapp zwei Wochen später behauptete eine norddeutsche Zeitung: „Hunderttausend Ruheständler werden nach der Rentenerhöhung 2022 erstmals Steuern auf ihre Altersbezüge zahlen müssen“. Angeblich hievt die Rentenerhöhung 2022 viele Rentnerinnen und Rentner über die entscheidende Einkommensgrenze.
80.000 Rentner zahlen 2022 keine Steuern mehr
Aber wie viele Menschen betrifft das wirklich? Wir wollten es genauer wissen und haben beim Bundesfinanzministerium nachgefragt. Das Ministerium kommt zu einer anderen Einschätzung, nämlich dass
„in der Kombination von Rentenwertanhebung zum 1.7.2022 und der geplanten Grundfreibetragserhöhung 2022 … rund 80.000 Steuerpflichtige mit Renteneinkünften nicht mehr steuerlich belastet und weniger als 5000 Steuerpflichtige mit Renteneinkünften erstmalig steuerbelastet wären“.
Mit anderen Worten: 80.000 Rentner, die für 2021 noch Steuern entrichten müssen, bleiben 2022 davon verschont – trotz der ordentlichen Rentenerhöhung. Auf ihrem Steuerbescheid für 2022 wird eine Null stehen.
Lediglich 5000 Senioren wachsen durch die Rentenerhöhung in die Steuerbelastung hinein. Dies dürften etwa Rentner sein, die 2021 nur für einige Monate Rente bezogen, im ersten Teil des Jahres aber noch Arbeitslosengeld II oder ein niedriges Arbeitsentgelt erhalten haben.
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Höheren Grundfreibetrag nicht berücksichtigt
Wie kann es zu einer solchen Abweichung kommen? Die Erklärung: Die Meldungen gehen offenbar von einem veraltetem Grundfreibetrag aus. Bereits am 16. März hatte das Bundeskabinett beschlossen, den steuerlichen Grundfreibetrag für 2022 rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 603 Euro auf 10.347 Euro zu erhöhen. So sieht es das Steuerentlastungsgesetz 2022 vor. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen, doch die Verabschiedung gilt als sicher. Ursprünglich war lediglich eine kleine Erhöhung um 240 Euro geplant.
Weniger statt mehr Steuern
Wie wirken sich Grundfreibetrag und Rentenerhöhung auf die Steuerlast jedes Einzelnen aus? Derzeit müssen gut fünf Millionen Rentner Einkommensteuer zahlen – meist, weil sie neben der Rente weitere steuerpflichtige Einkünfte haben. Die Kölner Steuerkanzlei Christ-Mazur hat für ihre-vorsorge.de einige Fälle durchgerechnet. Das Ergebnis: In den meisten Fällen dürfen sich Rentnerinnen und Rentner über eine Entlastung freuen.
Das gilt auch für die große Mehrheit der Rentner ohne weitere steuerpflichtige Einkünfte, die bislang Steuern zahlen mussten. Die steuerliche Entlastung bewegt sich im niedrigen zweistelligen Bereich.
Beispiel 1: Weniger Steuern in 2022
Für unseren Beispiel-Rentner legen wir folgende Annahmen zugrunde: Renteneintritt 2020, alleinstehend, nicht kirchensteuerpflichtig, Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt 11 Prozent. Keine sonstigen steuerpflichtigen Einnahmen und Absetzbeträge, Rentenerhöhung um 5,35 Prozent (alte Bundesländer).
Eckdaten: Rente 2021 brutto 1500 Euro monatlich. Rentenerhöhung zum 1.7.2022 auf 1580,25 Euro brutto.
Ergebnis: Für 2021 sind 419 Euro Steuern zu zahlen. 2022 werden es nur noch 391 Euro sein. Das bedeutet eine voraussichtliche Entlastung um 28 Euro.
2021 | 2022 | |
---|---|---|
Monatliche Bruttorente | 1500 Euro | 1580,25 (ab 1.7.) |
Jährliche Einkommensteuer | 419 Euro | 391 Euro |
Beispiel 2: Wegfall der Steuerbelastung
Wer für das Jahr 2021 bis circa 35 Euro an Steuern entrichten musste oder noch zahlen muss, kommt zwar für 2022 auch nicht um eine Steuererklärung herum. Der Steuerbescheid wird jedoch eine Steuerbelastung von „Null“ ausweisen. Dass die Erhöhung des Grundfreibetrags zum Wegfall der Steuerbelastung führt, sei „in einem schmalen Rahmen der Fall, und zwar bei Rentnern, die 2021 nur geringfügig steuerbelastet waren“, erläutert hierzu der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH).
Eckdaten: Rente 2021 brutto 1224 Euro monatlich. Rentenerhöhung zum 1.7. 2022 auf 1289,48 Euro brutto.
Ergebnis: Für 2021 sind 35 Euro Steuern zu zahlen. 2022 fällt die Einkommensteuer weg. Die Entlastung beträgt also 35 Euro.
2021 | 2022 | |
---|---|---|
Monatliche Bruttorente | 1224 Euro | 1289,48 (ab 1.7.) |
Jährliche Einkommensteuer | 35 Euro | 0 Euro |
Beispiel 3: Hineinwachsen in die Steuerbelastung
Fehlanzeige. Rentner, die 2021 das volle Jahr Rente erhalten und bislang noch keine Steuern zahlen mussten, bleiben auch 2022 davon verschont. In keinem der von uns durchgerechneten Beispiele ergab sich eine erstmalige Steuerbelastung.
Die VLH erklärt hierzu, dass eine erstmalige Steuerbelastung allein aufgrund der Rentenerhöhung „rechnerisch nicht möglich“ sei. Denn der steuerliche Grundfreibetrag steige stärker als sich die Renten erhöhen.
Fazit: Das Finanzamt profitiert in diesem Jahr nur in den wenigsten Fällen von der Rentenerhöhung. Das Plus kommt also voll bei den Rentnerinnen und Rentnern an. Zahlreiche von ihnen profitieren zudem noch von einer kleinen Steuerentlastung. Kleiner Wermutstropfen: Auch auf den Rentenerhöhungsbetrag fallen – wie generell auf die Rente – Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an.