Rente / 06.08.2018

Flexirente: Wer Teilrente bezieht, kann Anspruch auf Betriebsrente verlieren

Teilzeit arbeiten und dazu eine Teilrente bekommen – das ist für viele ältere Arbeitnehmer seit Einführung der Flexirente attraktiv. Bei der betrieblichen Altersvorsorge kann das aber zu bösen Überraschungen führen, weiß unser Sozialexperte Rolf Winkel.

Geigenbauer arbeitet an einer Violine. Bild: IMAGO / Shotshop / Monkey Business

Herr Winkel, was haben denn Betriebsrente und gesetzliche Rente miteinander zu tun?

Rolf Winkel: Das hängt von der jeweiligen Betriebsrente ab. In Paragraf 6 des Betriebsrentengesetzes ist nämlich geregelt, dass die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung eingestellt werden können, „wenn die Altersrente auf einen Teilbetrag beschränkt wird“.

Gleiches gilt beim Wegfall der Altersrente wegen eines zu hohen Hinzuverdienstes.

Das ist aber keine eindeutige Regelung …

Rolf Winkel: So ist es. Manches ist im Betriebsrentengesetz ganz klar geregelt. Bei anderen Punkten gibt es große Spielräume für die einzelnen Betriebe beziehungsweise Träger der betrieblichen Altersvorsorge – zum Beispiel beim Thema „Rentenbeginn“.

So kann in einer Satzung oder Versorgungsordnung geregelt sein, dass die Betriebsrente erst ab dem Zeitpunkt gezahlt wird, an dem die gesetzliche Rente als Vollrente gezahlt wird. Es kann aber auch geregelt sein, dass die Rente ab dem regulären Rentenalter oder ab 65 Jahren gezahlt wird.

Wo gibt es denn beispielsweise eine Betriebsrente erst beim Bezug einer gesetzlichen Vollrente?

Rolf Winkel: Etwa bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Das ist ein Big Player bei der Betriebsrente. Sie sichert den Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes eine zusätzliche Rente.

In Paragraf 33 der aktuellen VBL-Satzung wird erklärt, wann die Rente beginnt: „Der Versicherungsfall tritt am Ersten des Monats ein, von dem an der Anspruch auf gesetzliche Rente wegen Alters als Vollrente bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung besteht. Der Anspruch ist durch Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuweisen.“

Das heißt: Wer die gesetzliche Rente nicht als Vollrente erhält, bekommt erst gar keine VBL-Rente.

Das war jetzt ein Beispiel aus dem öffentlichen Dienst. Sehen die Regelungen in der Privatwirtschaft ähnlich aus?

Rolf Winkel: Auch etliche private Versorgungsträger haben ähnliche Regelungen. So heißt es etwa in den Antworten zu den „Frequently Asked Questions“ (FAQ) des Chemiepensionsfonds: „Eine vorgezogene Altersleistung wird gewährt, wenn und solange eine Altersrente als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird.“

Doch die Regelungen bei den über 1.200 Trägern der betrieblichen Altersversorgung sind höchst unterschiedlich.

Was versteht man denn unter einer gesetzlichen „Vollrente“?

Rolf Winkel: Eine volle Rente – also 100 Prozent der Rente. Das hat nichts mit Rentenabschlägen zu tun. Es geht dabei nur darum, dass die Rente nicht nur in Teilen – also als Teilrente – in Anspruch genommen wird.

Wann gibt es denn eine Teilrente?

Rolf Winkel: Sie gibt es vor allem für diejenigen, die vor dem regulären Rentenalter eine vorgezogene Rente beziehen und einiges hinzuverdienen. Seit Juli 2017 gibt es für alle, die ein vorgezogenes Altersruhegeld erhalten, eine gleitende Hinzuverdienstregelung. Dabei gibt es für den Hinzuverdienst zur Rente einen Freibetrag von 6.300 Euro in einem Kalenderjahr. Bruttoeinkünfte, die höher sind, werden auf die Vollrente angerechnet.

Wer in einem Kalenderjahr beispielsweise zusätzlich zu seiner Frührente 12.300 Euro brutto verdient, dessen monatliche Rente wird um 200 Euro gekürzt. Der Rechenweg ist dabei: 12.300 minus 6.300 = 6.000 Euro. 40 Prozent davon sind 2.400 Euro. Auf den Monat umgerechnet sind das 200 Euro. Nehmen wir an, die oder der Betreffende hat „eigentlich“ monatlich einen Anspruch auf eine Bruttorente von 1.000 Euro im Monat. Dann bekommt er stattdessen nur 800 Euro brutto.

Und das ist dann eine Teilrente?

Rolf Winkel: Ja. Das funktioniert übrigens auch rückwirkend so. Anfang Juli jeden Jahres können Frührentner der Deutschen Rentenversicherung mitteilen, ob und in welcher Höhe sie zu ihrer Rente hinzuverdienen werden. Wer dann zunächst nichts anmeldet, weil er davon ausgeht, dass er nichts verdienen wird oder jedenfalls weniger als 6.300 Euro im Kalenderjahr, bekommt zunächst die volle Rente.

Stellt sich dann doch ein Hinzuverdienst ein, der die Grenzen des „Unschädlichen“ (also 6.300 Euro) sprengt, so findet zur Mitte des folgenden Jahres eine so genannte Spitzabrechnung statt.

Es wird also geprüft, wie viel die oder der Betreffende zu viel verdient hat – und die Rente wird nachträglich noch gekürzt und damit rückwirkend zu einer Teilrente.

Mit den möglichen Folgen für die Betriebsrente?

Rolf Winkel: Ja. Theoretisch könnte sogar geregelt sein, dass die Betriebsrente beim Wechsel von der Voll- in die Teilrente nachträglich wegfällt. Das ist aber wohl meist nicht der Fall. Nehmen wir auch hier wieder das VBL-Beispiel.

Hierzu regelt Paragraf 41 der VBL-Satzung: „Wird die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls (§ 33) als Teilrente gezahlt, wird die Betriebsrente nur in Höhe eines entsprechenden Anteils gezahlt.“

Und was gilt, wenn der Hinzuverdienst zur gesetzlichen Rente so hoch ist, dass diese ganz wegfällt …

Rolf Winkel: Das wird ohnehin nur selten der Fall sein. Dafür muss der Hinzuverdienst nämlich – vereinfacht gesagt – höher sein als das Einkommen vor dem Renteneintritt.

Doch nach der VBL-Satzung ist klar: Wenn die Rente wegen des Hinzuverdienstes auf Null fällt, fällt auch für die Betriebsrente auf Null. Sie wird erst wieder voll gezahlt, wenn die Rente als Vollrente gezahlt wird.

Kann die Teilrente auch im regulären Rentenalter bezogen werden?

Rolf Winkel: Das ist möglich. Auch die reguläre Altersrente kann als Teilrente bezogen werden – und das kann manchmal sehr sinnvoll sein. Etwa für Rentner, die einen Angehörigen pflegen. Wenn sie die volle Altersrente beziehen, bringt ihnen Zeit der Pflege nämlich keine weitere Rentenerhöhung.

Dafür müssen sie in eine Teilrente wechseln. Dazu reicht es schon, auf nur 1 Prozent der regulären Rente zeitweise zu verzichten und so eine 99-Prozent-Teilrente zu beziehen. Doch auch dann kann das Folgen für die Betriebsrente haben.

Was kann man den Betroffenen denn raten?

Rolf Winkel: In jedem Fall sollten sie vor dem Eintritt in eine Teilrente bei ihren (Ex-)Arbeitgeber oder bei dem für sie zuständigen Betriebsrententräger eine verbindliche Rechtsauskunft einholen, welche Folgen der Teilrentenbezug für die Betriebsrente hat.

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Rolf Winkel